BUND Landesverband Niedersachsen

Gemeinsamer „Letter of Disinterest“ - Interessenbekundungsverfahren LNG-Terminal: Bekundung des Desinteresses

30. Oktober 2020 | Chemie, Energiewende, Klimawandel, Kohle, Lebensräume, Mitmachen (NI), Umweltpolitik (NI)

Offener Brief an das LNG Terminal Wilhelmshaven GmbH (LTeW) / Uniper SE, Franziusstr. 10, 40219 Düsseldorf

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Möglichkeit, uns an Ihrem Verfahren zur Interessensbekundung an Durchsatzkapazitäten für das geplante LNG-Terminal in Wilhelmshaven beteiligen zu können. Hiermit bekunden wir, die unterzeichnenden Organisationen, unser ausdrückliches und verbindliches Desinteresse an Kapazitäten des geplanten Fracking-Gas—Import-Terminals. Wir sind darüber hinaus der Auffassung, dass die Durchsatzkapazitäten des Projekts genau 0 m3 Gas betragen sollten. Die Planungen sollten unverzüglich aufgegeben werden.

Unser Desinteresse begründen wir wie folgt.

  • Deutschland braucht keine neue fossile Gasinfrastruktur – und kann sich auch keine leisten. Unabhängige Studien zeigen immer häufiger, dass Deutschland keine neue fossile Infrastruktur benötigt, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten[i], und dass unser Erdgasbedarf perspektivisch fallen statt steigen wird und muss.[ii] Zudem ist die Auslastung bestehender LNG-Terminals in Europa bereits jetzt sehr niedrig – zwischen 2012 und 2017 betrug die durchschnittliche Auslastungsquote lediglich rund 20 %.[iii] Darüber hinaus ist neue Gasinfrastruktur unvereinbar mit dem Erreichen unserer Klimaschutzziele. Ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven zementiert und verlängert unsere Abhängigkeit von fossilen Energien und führt unweigerlich zu Fossil Lock-In und sog. Stranded Assets, also Investitionsruinen – all das wird zukünftigen Generationen teuer zu stehen kommen.
  • LNG und insbesondere Fracking-Gas ist mindestens so klimaschädlich wie Kohle. Die Bundesregierung[iv] hat dies kürzlich bestätigt und Fracking-Gas – insbesondere in Form von LNG - als ähnlich klimaschädlich wie Kohle eingestuft. Aber auch die wahre Klimaschädlichkeit von sog. konventionellem Erdgas kommt immer deutlicher zum Vorschein. Konnten sich Unternehmen bis vor kurzem noch hinter internen Berechnungen verstecken, treten nun immer öfter unabhängige Messungen durch Kameras, Flugzeuge und Satelliten an deren Stelle. Durch sie offenbart sich, dass das Problem der Methan-Emissionen entlang der Lieferkette – von der Gewinnung über Verarbeitung, Transport und bis hin zur Nutzung – wesentlich größer ist als bisher angenommen. So wurde in den USA bspw. durch Messungen ermittelt, dass die Methan-Emissionen 2015 um 60 % höher lagen als von der US-Umweltschutzbehörde EPA angegeben; statt 1,4 % entweichen 2,3 % der gesamten Produktion in die Atmosphäre – und das schon bevor das fossile Erdgas nach Europa oder in andere Teile der Welt gelangt.[v] Berechnungen von Prof. Howarth, Cornell University, NY, zufolge ist gefracktes Erdgas für mehr als die Hälfte aller weltweit in den letzten zehn Jahren gestiegenen Emissionen aus fossilen Brennstoffen und für etwa ein Drittel der insgesamt weltweit gestiegenen Emissionen aus allen Quellen verantwortlich.[vi] Es wird immer deutlicher: die Größe des Problems der Methanemissionen ist noch weitgehend unbekannt, aber in jedem Fall unterschätzt. Erdgas ist eine Brücke ins Nichts.
  • Die LNG-Terminals dienen insbesondere dazu, Fracking-Gas aus den USA nach Deutschland zu importieren. Laut Peter Altmaier sind die Terminals eine „Geste gegenüber unseren amerikanischen Freunden“. Die Projekte sind damit keine reinen Privatunternehmungen, sondern Instrumente der Geopolitik zwischen den USA und Deutschland. Um Strafzölle auf Stahl und Autos in den USA zu vermeiden, soll Deutschland mehr Fracking-Gas importieren - dies ist der politisch vorgegebene Zweck dieser Terminals.[vii] Gefracktes Gas aus den USA ist laut aktuellen Studien besonders klimaschädlich.[viii] Zudem werden dort nach wie vor massiv Umweltstandards abgebaut: Aus 2 Millionen stillgelegten Bohrlöchern entweicht Methan und Betreiber müssen Bohrstellen seit kurzem nicht mehr routinemäßig überprüfen.[ix] Hinzu kommt, dass mit Uniper ein Investor in Wilhelmshaven tätig ist, der seinerseits Flüssigerdgas aus dem umstrittenen kanadischen LNG-Goldboro-Projekt abnehmen will. Auch dieses Export-Terminal wird zumindest zum Teil auf Fracking-Gas aus den USA und Kanada zurückgreifen müssen, wie kanadische Aktivist*innen dargelegen.[x]
  • Das LNG-Terminal hält das fossile Zeitalter in Deutschland künstlich am Leben. Die Möglichkeit einer (zeitlich nicht definierten) späteren Nutzung des Terminals im Sinne der Energiewende ist derzeit komplett ungeklärt. Es ist z. B. völlig unklar, ob und inwiefern eine spätere Nachrüstung eines LNG-Terminals zur Anlandung von Wasserstoff technisch möglich ist. Der Import von synthetischem Methan, der in anderen Ländern mithilfe von grünem Wasserstoff hergestellt wurde, ist mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden. Auch gibt es derzeit kein potentielles Partnerland, das seine Energieversorgung zu nahezu 100 % dekarbonisiert hat. Priorität muss daher die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland haben. Vage Pläne für eine nicht-fossile Nutzung des LNG-Terminals in unbestimmter Zukunft haben dabei keinen Platz.
  • Das LNG-Terminal ist nur durch Subventionen und rechtliche Änderungen überhaupt wirtschaftlich. Die Kosten für den Leitungsbau für den Anschluss des Terminals können aufgrund einer Änderung der Gasnetzzugangsverordnung zu 90% auf die Gaskunden umgelegt werden – dies, obwohl die Bundesnetzagentur ursprünglich die Anschlussleitungen aus dem Netzentwicklungsplan genommen hatte, um „Gaskunden vor unnötigen Kosten zu schützen“.[xi] Durch die Rechtsänderung sollte der Bau der Terminals für Investoren attraktiver gestaltet werden. In Wilhelmshaven werden die Betreiber der Anlage so um 78,3 Millionen Euro entlastet – und die Verbraucher belastet.[xii] Hinzu kommen indirekte Subventionen, bspw. durch die Gründung der „LNG-Agentur Niedersachsen“ durch das Land Niedersachsen, deren Ambitionist, „die Entwicklung einer LNG-Infrastruktur und der LNG-Technologie [...] in Niedersachsenspeziell in der Küstenregion zu unterstützen“.[xiii]
  • Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist nicht genehmigungsfähig. Ein Rechtsgutachten der DUH bestätigt, dass das Terminal aufgrund der nahe liegenden Naturschutzgebiete sowie der Risiken im Störfall nicht genehmigungsfähig ist.[xiv]

Aufgrund der dargelegten Umstände empfehlen wir, eine negative endgültige Investitionsentscheidung zu treffen. Weder wird eine ausreichende Nachfrage für zusätzliches fossiles Gas bestehen, noch ist der Bau des Terminals wirtschaftlich tragfähig – er verursacht im Gegenteil Folgeschäden in Milliardenhöhe durch Stranded Assets, einem Fossil Lock-in und immer extremer werdende, von der Gesellschaft zu tragende, Klimaschäden. Wenn wir die Klimaschutzziele einhalten und die Erhitzung unserer Welt noch begrenzen wollen, dürfen wir keine neue fossile Infrastruktur errichten.

Mit freundlichen Grüßen
Für die untenstehenden Unterzeichner*innen:
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz
Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
E-Mail zerger@duh.de
 

Unterstützen Sie uns:

Senden Sie eine Protestmail an die US-Botschaft! Der Import von Fracking-Gas wird Thema bleiben, egal wie die US-Wahlen in der nächsten Woche ausgehen: Auch Joe Biden schließt Fracking nicht aus. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier klar unsere Meinung sagen:
https://www.duh.de/fracking-protest/

Unterstützen Sie unsere Petition gegen neue LNG-Terminals auf change.org:
www.change.org/nofracking<http://www.change.org/nofracking

 

Vollständige Liste der Unterzeichner*innen

Constantin Zerger, Deutsche Umwelthilfe e.V.
Andy Gheorghiu, Food & Water Action Europe
Hans-Josef Fell, Energy Watch Group
Heiner Baumgarten, BUND Niedersachsen
Sabine Hillmann, Bürgerinitiative Klima-Allianz-NordSeeküste (KANS)
Rainer Büscher, Vögel und Natur Wilhelmshaven
Stephan Klose, BI Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe/ Klimabündnis gegen LNG
Dr. Reinhard Knof, Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager e.V.
Michaela Rische, NaLaKiZu Bürgerstark
Prof. Dr. Andreas König, Wittorfer für Umwelt und Gesundheit (WUG Wittorf e.V.)
Luca Brunsch, Bürgerinitiative Wind of Change
Harald Rücker, BI lebenswertes Korbach
Katja George, 350.org
Imke Zwoch, BUND Wilhelmshaven
Ralf Hübner, ARGE Umweltschutz Haseldorfer Marsch, Hetlingen e.V.
Moritz Junge, Fridays For Future Wilhelmshaven
Jana Bosse, BürgerBegehren Klimaschutz
Werner Diedrichs, BI FrackingFreies Hamburg
Pia Vogel, Mannheim kohlefrei
Marianne Juhre, IG Hamminkeln gegen Gasbohren/Niederrhein
Klaus Börgmann, NABU Kreisgruppe Wilhelmshaven e.V.
Sebastian Rötters, Urgwald
Norbert Pralow, BUND-Kreisgruppe Steinburg
Bernd Ebeling, AG Erdgas Erdöl Fracking, Bürgerinitiative Umweltschutz Uelzen
Volker Fritz, Arbeitskreis Fracking Braunschweiger Land
Christfried Lenz, Bürgerinitiative Saubere Umwelt & Energie Altmark
Klimagruppe Friesische Wehde
Hartmut-Müller-Mangels, BUND Friesland
Ulrike Siemens, BI „kein frack in wf“
BUNDjugend Wilhelmshaven
Wibke Langhorst, Aktionsbündnis No Moor Fracking
Maria Entrup-Henemann, IG Fracking-freies Artland, Quakenbrück
Gilbert Siegler, Hamburger Energietisch
Dieter Fetting, Bürgerinitiative gegen Gasbohren, Drensteinfurt
H.Linder-Hausner, Abgefrackt Bündnis Weidener Becken gegen Fracking
Annamaria Waibel, NoFracking Bodensee-Oberschwaben
Sigrun Franzen, Berliner Wassertisch
Sabine Holsten, Bürgerinitiative für Gesundheit Hemslingen/Söhlingen
A. Basmer, BI Gemeinsam gegen Gas- und Probebohrungen am Niederrhein

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