Wolf und Herdenschutz gehen zusammen

12. Juni 2019 | Artenschutz (NI), Wolf (NI)

Berlin: Ein Bündnis aus elf Organisationen der Landwirtschaft und Nutztierhaltung, des Natur- und Tierschutzes sowie der Jagd hat gemeinsame Empfehlungen für einen bundeseinheitlichen Herdenschutz und Kriterien zur Tötung von auffälligen Wölfen vorgelegt. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin kritisierten die Verbände, dass in dem Bereich oftmals eine praktische wie rechtliche Unsicherheit herrsche. Schuld sei ein unübersichtlicher Flickenteppich aus Empfehlungen zur Umsetzung und Förderung von Herdenschutz in Deutschland. Zudem fehlten klare Regelungen für die rechtlich bereits mögliche Tötung von einzelnen Wölfen, die empfohlenen Herdenschutz überwinden und Nutztiere angreifen. Dieses "föderale Wirrwarr" gehe sowohl zulasten des Artenschutzes als auch der Tierhalter. Politik und Gesellschaft dürften, so die einhellige Forderung, die ökologisch wertvolle Weidetierhaltung und die ebenfalls ökologisch wertvolle Rückkehr des Wolfes nicht gegeneinander ausspielen und die Lasten allein den Tierhaltern zumuten.

"Es braucht endlich Rahmenregelungen des Bundes, um eine tragfähige Koexistenz zwischen Wölfen und Weidetierhaltung zu ermöglichen", so die Forderung der Verbände. Anders als die geplante Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes fokussiert das Eckpunktepapier inhaltliche und praktikable Lösungsansätze und liefert konkrete Empfehlungen für die flächendeckende Umsetzung von geeignetem Herdenschutz in tatsächlichen und möglichen Wolfsgebieten. Gefordert wird eine kostendeckende staatliche Förderung, die auch laufende Unterhaltskosten, etwa für Herdenschutzhunde, umfasst. Tötungen von auffälligen Wölfen betrachten die Verbände stets als das letzte Mittel im Einzelfall. Sie sind sich einig: An gutem Herdenschutz führt kein Weg vorbei. Hierfür müssen sich das Umwelt- und vor allem auch das Landwirtschaftsministerium gemeinsam einsetzen.

Hinter den Empfehlungen steht ein breites Bündnis aus der Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde, dem Bundesverband Berufsschäfer, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dem Deutschen Tierschutzbund, der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe, dem International Fund for Animal Welfare, dem Naturschutzbund Deutschland, dem Ökologischen Jagdverband, der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland, dem Verein für Arbeitende Herdenschutzhunde und dem WWF Deutschland.

Die Europäische Kommission hat laut dem Bündnis inzwischen die Möglichkeiten für eine umfassende Förderung des Herdenschutzes geschaffen. Jetzt müssten Bund und Länder dringend handeln. Über flächenbezogene Zuschläge zu bereits bestehenden Agarumweltmaßnahmen könnten beispielsweise Unterhaltskosten ausgeglichen werden. Ausgleichsleistungen für Tierverluste sollten aus Sicht des Bündnisses dann greifen, wenn Maßnahmen zum Standardschutz umgesetzt wurden, beispielsweise bodenschabschließende Elektronetze mit einer Höhe von 90 Zentimeter für Schafe und Ziegen. Eine Möglichkeit zur Erhöhung sei die Aufstockung auf 120 Zentimeter durch den Einsatz von Flatterband. Überwindet ein Wolf einen solch erhöhten Schutz, um Nutztiere anzugreifen, sollte er von einer Fachperson geschossen werden, sofern die zuständige Landesbehörde dies genehmigt. In dem Verbändepapier heißt es hierzu, das betreffende Tier müsse hinreichend identifiziert sein. Bestenfalls werde es direkt bei einem Folgeübergriff auf eine geschützte Herde gestellt.

Zitatsammlung

Bundesverband Berufsschäfer (BVBS) – Günther Czerkus (Vorsitzender): "Für ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben mit dem Wolf braucht es eutschlandweite, flächendeckende Herdenschutzmaßnahmen. Weder die technische Umsetzung noch die Förderung sind jedoch derzeit in einem bundeseinheitlichen Rahmen geregelt. Heute legen wir deshalb Vorschläge für bundeseinheitliche Standards vor."

WWF Deutschland – Diana Pretzell (Leiterin Biodiversitätspolitiken): "Die Schäfereien und der Erhalt der Artenvielfalt sind untrennbar miteinander verbunden. Mit der geplanten Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wird dieses Ziel jedoch nicht erreicht. Damit werden die Konflikte um die Rückkehr des Wolfes nicht gelöst, sondern nur noch weiter verschärft."

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) – Olaf Bandt (Bundesgeschäftsführer Politik und Kommunikation): "Die von uns gemeinsam erarbeiteten Standards sollten bundeseinheitlich in Gebieten mit Wolfsvorkommen gelten und umgesetzt werden. Entscheidend ist, mit dem Aufbau von Herdenschutz in potenziellen Wolfsgebieten vor der Rückkehr des ersten Wolfes zu beginnen."

Deutscher Tierschutzbund (DTSchB) – Lea Schmitz (Pressesprecherin): "Mit den vorgelegten Empfehlungen ist ein sinnvoller Kompromiss gefunden, der den Tierschutz für Weidetiere und Wölfe gleichermaßen sicherstellen kann."

International Fund For Animal Welfare (IFAW) – Robert Kless (Leiter IFAW-Deutschland): "Ein schneller, kostendeckender Schadensausgleich bei Nutztier-Rissen in Regionen mit nachgewiesener Wolfspräsenz sollte erfolgen, wenn ein Betrieb den empfohlenen Standardschutz umgesetzt hat und ein Wolf als Verursacher nicht auszuschließen ist."

Naturschutzbund Deutschland (NABU) – Olaf Tschimpke (Präsident): "Mit einer Regulierung des Wolfsbestandes ist keinem einzigen Schäfer geholfen. Wir erwarten von Bund und Ländern vielmehr eine grundsätzlich stärkere Förderung der extensiven Weidetierhaltung, um die Schäfer und Tierhalter langfristig zu unterstützen."

Ökologischer Jagdverband (ÖJV) – Eckhard Fuhr (Leiter Arbeitskreis Wolf): "Eine Entnahme von Wölfen kann im Einzelfall notwendig sein. Dazu bekennen wir uns als Bündnis. Das könnte etwa der Fall sein, wenn ein Wolf wiederholt ordnungsgemäß ausgeführte Herdenschutzmaßnahmen überwindet und Nutztiere angreift."

Gesellschaft zum Schutz der Wölfe – Peter Blanché (1. Vorsitzender): "Mit diesem Papier sichern wir Weidetierhaltern unsere volle Unterstützung beim Schutz ihrer Herden zu, verlieren dabei aber den notwendigen Schutz der Wölfe nicht aus den Augen."

AG Herdenschutzhunde – Knut Kucznik (1. Vorsitzender): "Der Umgang mit den großen Beutegreifern und effektiver Herdenschutz müssen hierzulande erst wieder erlernt werden. Dafür leisten wir einen entsprechenden Beitrag."

Verein für arbeitende Herdenschutzhunde in Deutschland – Holger Benning (Vorsitzender): "Ein konfliktarmes Miteinander bedarf praxisnaher Lösungen. Wir rufen Behörden, Verbände und Weidetierhalter auf, unsere Empfehlungen umzusetzen."

Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer – Hanno Pilartz (2. Vorsitzender): "Herdenschutzmaßnahmen sollten zu 100 Prozent über staatliche Beihilfen finanziert werden. Diese Beihilfen sollten an alle betroffenen Tierhalter gezahlt werden, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus oder der Herdengröße."

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