Heute bereist Olaf Bandt, Bundesvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), gemeinsam mit Vertreter*innen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen die Gipskarstlandschaft im Südharz. Vor Ort verschafft er sich einen Eindruck über die Folgen des zunehmenden Naturgipsabbaus und diskutiert mit den Beteiligten über Rohstoffalternativen sowie politische Lösungen zum Schutz dieser einzigartigen Landschaft.
Der Südharzer Gipskarst erstreckt sich über drei Bundesländer und ist mit seinen dichten Buchenwäldern auf Gips weltweit einmalig. Zugleich ist er jedoch durch den fortschreitenden Naturgipsabbau akut bedroht – Tag für Tag geht ein weiteres Stück unwiederbringlich verloren, denn Gipskarst lässt sich nicht wiederherstellen.
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Die Karstlandschaft des Südharzes zählt zu den biologisch reichsten Gebieten Deutschlands. Die vielen Schutzgebiete, die es dort gibt, zeigen, wie einzigartig die Natur der Region ist. Das sollte für die Landesregierungen Grund genug sein, den Lebensraum- und Artenschutz vor dem Gipsabbau zu priorisieren. Auch das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg bestätigt: Der Gipsabbau liegt hier nicht im öffentlichen Interesse. Naturgips ist ersetzbar – die Gipskarstlandschaft nicht. Anstatt den Abbau voranzutreiben, muss Natur geschützt und Recycling gefördert werden!“
Mit der Bereisung macht der BUND deutlich, was auf dem Spiel steht: Da REA-Gips aus Kohlekraftwerken bundesweit nach und nach entfällt, wollen Abbaufirmen diesen Verlust vor allem mit Naturgipsabbau im Südharz kompensieren – was einer Verdoppelung des aktuellen Abbaus gleichkäme. Selbst Schutzgebiete scheinen dabei für industrielle Interessen kein Tabu mehr zu sein. Angesichts der lauter werdenden Forderungen nach neuen oder erweiterten Abbaugebieten setzt die Bereisung ein klares Signal: Politik muss konsequent Rohstoffalternativen, Recycling sowie nachwachsende und kreislaufgeführte Baustoffe fördern – und den Gipskarst strikt schützen. Denn Baustoffalternativen sind längst am Markt verfügbar und umweltverträgliche Rohstoffe können optimal auch im Südharz gewonnen und verarbeitet werden.
Inmitten der Gipskarstlandschaft in Questenberg eröffnen die BUND-Landesverbände die Bereisung und verbinden den Auftakt mit klaren Forderungen an Politik und Industrie:
- Konsequenter Schutz der weltweit einmaligen Gipskarstlandschaft im Südharz
- Kein Neuaufschluss von Gipsabbauflächen
- Antrag auf internationale Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat
- Ausstieg aus dem Naturgipsabbau bis spätestens 2045
- Einen ökologisch und ökonomisch tragfähigen Strukturwandel im Südharz gemeinsam mit der Region gestalten
- Die zeitnahe Renaturierung bereits abgebauter Flächen
Schon im Vorfeld des Besuchssorgte die Thematik für Schlagzeilen: In Sachsen-Anhalt hat die Gipsindustrie Probebohrungen im Biosphärenreservat durchgeführt – und die Landesregierung bereitet nun die Streichung von Vorranggebieten für Natur und Landschaft vor. Im Südharz in Thüringen weist der erste Entwurf zum neuen Regionalplan über 150 Hektar zusätzliche Vorrangflächen für Gipsabbau aus, während ein neues Gutachten zur verstärkten Berücksichtigung des bundesweiten REA-Entfalls erst gar nicht an die Öffentlichkeit kommt. Beide Fälle zeigen exemplarisch, wie massiv der Druck auf Landschaft, Politik und Behörden inzwischen geworden ist.
Die BUND-Landesverbände in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachen setzen sich seit Jahrzehnten für den Erhalt der einzigartigen Gipskarstlandschaft ein. Zusammen mit dem BUND-Bundesverband fordern sie ein Ende des Gipsabbaus bis 2045 – durch Umstellung auf Kreislaufwirtschaft, Recycling, Industriegipse und nachwachsende Rohstoffe.
Stimmen aus den BUND-Landesverbänden:
Dr. Burkhard Vogel, Landesvorsitzender BUND Thüringen: „In Thüringen bestehen Abbaurechte für Naturgips noch bis zum Jahr 2100 – mehr als genug Zeit, den Ausstieg geordnet vorzubereiten und den Südharz vor weiterer Zerstörung zu bewahren. Der Wegfall von REA-Gips darf keinesfalls als Vorwand dienen, den Naturgipsabbau massiv auszudehnen. Denn die bestehenden Genehmigungen reichen nicht nur aus, um den Wegfall auszugleichen, sondern übertreffen diesen bei weitem. Unsere Landschaft ist viel zu wertvoll, um am Ende als Gipskartonplatte an den Wänden zu hängen.“
Dr. Friedhart Knolle, Landesvorstand BUND Niedersachsen: „Deutschland konsumiert mehr Gips als jedes andere europäische Land – hierzulande werden mit 10 Millionen Tonnen pro Jahr etwa 30 Prozent des gesamten europäischen Gipsaufkommens verbraucht. 5 Millionen Tonnen werden als Naturgips abgebaut, die Hälfte davon im Südharz. Die weitere Zerstörung der einzigartigen Gipskarstlandschaft im Südharz und ihrer Hotspots der Artenvielfalt durch den Gipsabbau ist jedoch nicht notwendig, denn es existieren bereits marktfähige gipsfreie Baustoffe und solche aus Recycling- und Kunstgips als Alternativen.“
Ralf Meyer, Landesvorsitzender BUND Sachsen-Anhalt: „Der Gipskarst im Südharz ist von weltweiter Bedeutung und ein Hotspot der Artenvielfalt. Die noch unzerstörten Flächen in Sachsen-Anhalt zeigen dies sehr eindrucksvoll. Ein Gipsabbau dort würde nicht nur zahlreiche Karstformen und Lebensräume unwiederbringlich zerstören, sondern auch die internationale Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat und damit eine zukunftsfähige Regionalentwicklung behindern. Entsprechenden Abbauplanungen wird sich der BUND energisch widersetzen.“
Hintergrund: Südharzer Gipskarst
Auf etwa 100 Kilometern Länge und bis zu zehn Kilometern Breite erstreckt sich die Südharzer Gipskarstlandschaft an der Südabdachung des Harzes. Hier finden sich vielfältige Karsterscheinungen wie Erdfälle, Dolinen, Höhlen und Bachschwinden, die in so hoher Anzahl auf engstem Raum einmalig in Europa sind. Das Gipskarstgebiet im Südharz ist das größte und bedeutendste Gipskarstgebiet in Mitteleuropa. Diese Besonderheit ist das Ergebnis von geologischen und klimatischen Prozessen, welche vor etwa 250 Millionen Jahren ihren Anfang genommen haben und bis heute andauern. Dadurch ist ein vielfältiges Mosaik an Lebensräumen entstanden, in dem unterschiedlichste Arten eine Heimat gefunden haben. Selbst Relikte der Eiszeit, z.B. das Brillenschötchen konnten hier bis heute überdauern. Zahlreiche gefährdete und seltene Arten sind hier zuhause. Dazu zählen mindestens zwanzig Fledermausarten, die besonders in den Karsthöhlen und alten Wäldern Unterschlupf finden. Die Wildkatze erreicht in der Südharzer Gipskarstlandschaft maximale Populationsdichten, denn reich strukturierte Buchenwälder dienen ihr sowie dem Uhu als Lebensraum. Zahlreiche Amphibien finden in den wassergefüllten Erdfällen, in Schluchtwäldern oder Quellsümpfen ihre Heimat.
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