BUND Landesverband Niedersachsen

BUND: Walderlass ist rechtswidrig - Runderlass zur Natürlichen Waldentwicklung führt zu Moorzerstörung

08. Oktober 2018 | Artenschutz (NI), Lebensräume, Moore (NI), Umweltpolitik (NI), Wald (NI)

In einem Offenen Brief an Ministerpräsident Stephan Weil hat der BUND Niedersachsen die Landesregierung zu deutlichen Korrekturen am jüngsten Runderlass zur Waldentwicklung aufgefordert.

„Der Erlass der beiden Niedersächsischen Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt ist in Teilen rechtswidrig“, stellt Axel Ebeler, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender, fest. „Eine Umsetzung führt zu erheblichen Beeinträchtigungen von landes- und europaweit geschützten Lebensräumen, vor allem von wertvollen Moorflächen.“ Auch konterkariere der Erlass Naturschutzprojekte, die mit mehreren Millionen Euro von der EU gefördert werden und deren Träger das Land Niedersachen selbst ist.

Im Erlass geht es um das „Programm zur Natürlichen Waldentwicklung in Niedersachsen“, kurz NWE10. Danach sollen auf 10 Prozent der landeseigenen Waldflächen keine Bäume mehr gefällt werden, so dass sie sich ungestört entwickeln können. Das Programm war von den Naturschutzverbänden als großer Schritt zu mehr Naturschutz im Wald begrüßt worden. Der Runderlass sieht aber vor, dass in vielen Fällen nicht etwa vorhandener Wald bewahrt wird, sondern dass auf geschützten Moor-, Heide- und Wiesenflächen künftig Wald entstehen soll.

Welche gravierenden Auswirkungen der Erlass auf wertvollste Moorlandschaften hat, wird am Beispiel des Bissendorfer und Otternhagener Moores besonders deutlich: Die beiden nordwestlich von Hannover gelegenen Moore gehören zu den wertvollsten Hochmoorlandschaften Niedersachsens und stehen seit Jahrzehnten unter Naturschutz. Mit ihren offenen, baumfreien Moorflächen aus Glocken- und Besenheide, Wollgras und Torfmoosen tragen sie das europäische Prädikat "Natura 2000-Gebiet“. Wie nahezu alle Moore in Niedersachsen wurden jedoch auch diese beiden Moore in der Vergangenheit durch Entwässerung, Torfabbau und Gehölzaufwuchs beeinträchtigt. 2011 hat das Land Niedersachsen deshalb das EU-Life+-Projekt „Hannoversche Moorgeest“ beantragt, um vier der wertvollsten Moore in Niedersachsen, darunter auch die Moore bei Bissendorf und Otternhagen, zu renaturieren. Mehr als 11 Mio. Euro werden derzeit in Flächenkäufe, Maßnahmen zur Wiedervernässung und zur Offenhaltung der wertvollen Moorflächen investiert. Auch engagieren sich seit mehr als 40 Jahren ehrenamtliche Naturschützer im Moorschutz: Durch aktive Pflegeeinsätze verhindern sie Gehölzaufwuchs und sorgen so dafür, dass die Lebensbedingungen für typische Moorarten erhalten und verbessert werden.

Mit dem neuen Erlass werden nun alle bisherigen Anstrengungen ad absurdum geführt: Dort, wo bislang gezielt Baumaufwuchs zurückgedrängt wurde, um wertvolle Offenlebensräume zu erhalten, soll laut Erlass Wald aufwachsen. „Betroffen sind unter anderem EU-weit geschützte Moorlebensräume, die seit Jahrzehnten mit erheblichem Einsatz von Steuer- und Fördermitteln und durch engagiertes Ehrenamt wieder vernässt und offen gehalten wurden“, so Ebeler. „Eine Waldentwicklung auf diesen Flächen ist nicht nur naturschutzfachlich widersinnig, sondern verstößt auch gegen europäisches und deutsches Naturschutzrecht und widerspricht Klimaschutzzielen, denn durch die Wald-entwicklung werden die Moorflächen künftig mehr klimaschädliches CO2 produzieren.“ Besonders paradox: Eine Bewaldung der Flächen steht im krassen Widerspruch zu den Projektzielen des Life+-Projektes. Das Land Niedersachsen nimmt so in Kauf, dass die Europäische Union hohe Geldsummen vom Land zurückfordert, da Förderbestimmungen für europäische Naturschutzprojekte missachtet werden.

Bissendorfer und Ottenhagener Moor sind keine Einzelfälle. Zu massiven Konflikten mit dem Naturschutz führt der Erlass auch im Naturschutzgebiet „Krähenmoor“ im Landkreis Nienburg. Hier sind große Flächen als NWE10-Flächen ausgewiesen, während die Verordnung den Schutz und die Entwicklung offener Hochmoorflächen rechtsverbindlich festschreibt. Auch hier wurden über Jahrzehnte ehrenamtlich Moorpflegemaßnahmen durchgeführt und erhebliche Fördermittel für Moorentwicklung und Klimaschutz investiert. Niedersachsenweit sind zehn Moorgebiete sowie wertvolle Grünland- und Heideflächen betroffen, auf denen sich nach dem Willen der Ministerien nun Wald entwickeln soll.

Der BUND fordert Landesregierung und Landtag dringend auf, die Flächenkulisse des Erlasses zu korrigieren: Wertvolle Moorflächen und andere geschützte Lebensräume, auf denen eine Waldentwicklung den Naturschutzzielen widerspricht, müssen durch geeignete Alternativflächen ersetzt werden. Geschieht das nicht, zieht der BUND rechtliche Schritte in Erwägung.

 

Hintergrund:

Bereits 2015 hatte das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium einen ersten Entwurf zur Auswahl der sogenannten „NWE10-Flächen“ vorgelegt. Von den Landesforsten waren auch waldfreie Lebensräume wie Moore, Heiden und Wiesen eingebracht worden, auf denen der Naturschutz eine Entwicklung zum Wald explizit verhindern will. In der ursprünglichen Flächenkulisse machten allein die waldfreien Bereiche, die nach europäischem oder deutschem Naturschutzrecht gesetzlich geschützt sind und auf denen eine natürliche Waldentwicklung völlig konträr zu den Naturschutzzielen steht, etwa 800 Hektar aus. BUND, Nabu und Greenpeace hatten daraufhin umfangreiche Vorschläge zur Streichung ungeeigneter und Auswahl weiterer Flächen vorgelegt.

Im September 2017 wurden von der Landesregierung weitere NWE10-Flächen benannt (sog. Lückenschluss), die zusammen mit der Flächenkulisse von 2015 (sog. „Eröffnungsbilanz“) zehn Prozent des Landeswaldes umfassen. Zu den ungeeigneten Flächen der Eröffnungsbilanz wurde festgelegt, dass diese einer weiteren Prüfung unterzogen werden müssen: Wo rechtliche und fachliche Gründe gegen eine Waldentwicklung vorliegen, sollten die Flächen gegen geeignete Waldflächen ausgetauscht werden.

Im Niedersächsischen Ministerialblatt vom 11.07.2018 erschien schließlich ein Gemeinsamer Runderlass von ML und MU zur Umsetzung von NWE10. Hier wird verfügt, dass die Flächenkulisse von 2015 nicht mehr zu überprüfen, sondern unverändert umzusetzen ist (Pkt. 3). Eine Evaluation soll nur bei Flächen stattfinden, die in 2017 zusätzlich aufgenommen wurden („Lückenschluss“). Diese machen aber nur 15 Prozent der NWE-Kulisse aus und enthalten, soweit bekannt, keine geschützten Offenlandflächen.

Den Runderlass finden Sie unter: http://www.niedersachsen.de/download/133187/Nds._MBl._Nr._26_2018_vom_11.07.2018_S._663-674.pdf

 

Rückfragen zum Thema an:

Axel Ebeler, Stellv. Vorsitzender, BUND Landesverband Niedersachsen, axel.ebeler(at)bund.net

 

Pressekontakt:

Dr. Tonja Mannstedt, BUND Landesverband Niedersachsen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. (0511) 965 69 – 31, tonja.mannstedt(at)nds.bund.net

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