BUND Landesverband Niedersachsen

Keine chlorhaltigen Abwässer in die Jade - BUND und NABU kritisieren geplante Antifouling-Technik beim LNG Terminal Wilhelmshaven

20. Oktober 2022 | Energie (NI), Energiewende, Flüsse & Gewässer, Klimawandel

Wenn Ende des Jahres der schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven in Betrieb genommen wird, werden nach Planungen des Terminal-Betreibers Uniper täglich bis zu 530.000 m3 mit Chlor- und Bromnebenprodukten belastete Ab- und Prozesswässer in die Jade fließen. BUND und NABU beanstanden das geplante Verfahren und fordern die Genehmigungsbehörde dringend auf, eine umweltverträglichere Technik vorzuschreiben.

BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner kritisiert: „Die Biozideinleitungen dürfen nicht genehmigt werden. Es stehen alternative Antifouling-Verfahren zur Verfügung, mit denen eine solche massive Belastung vermeidbar wäre. Vergleichbare Verfahren kommen bereits bei herkömmlichen Großkraftwerken zum Einsatz. Gerade an einem so sensiblen Standort direkt vor den Toren des Nationalparks und Weltnaturerbe müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um Beeinträchtigungen der Jade und des Wattenmeers zu vermeiden.“

Das vom Terminal eingeleitete Abwasser soll mit 0,2 mg/l Chlor belastet sein. Chlor ist hochreaktiv und gut wasserlöslich. Außerdem würden 4,7 µg/L Bromoform eingeleitet. Nach Berechnungen des BUND und des NABU würde die geplante Einleitung von Bromoform die Konzentration, bei welcher keine schädlichen Auswirkungen auf Wasserorganismen zu erwarten sind, um das 50 bis 500-fache überschreiten. Dies steht im Gegensatz zum von Uniper vorgelegten Gutachten, das von einer 10-fachen Überschreitung ausgeht. Die Umweltverbände befürchten deshalb, dass das Ökosystem der Jade massiv beeinträchtigt und weitgehende Auswirkungen auch auf den nahe gelegenen Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und die Meeresbewohner auftreten würden.

Dr. Holger Buschmann, NABU-Landesvorsitzender: „Die falschen Grundannahmen von Uniper führen zu einer völligen Unterschätzung der Auswirkungen. Anders als angenommen, sind für den Schweinswal, andere Meeressäuger sowie weitere wertgebende Arten des FFH-Gebietes wie Fluss- und Meerneunauge oder Finte durch die Chemikalieneinleitung Beeinträchtigungen zu erwarten. Langfristige Auswirkungen wurden für diese Arten gar nicht betrachtet. Dieser Fall macht mehr als deutlich, dass ein Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung wie im LNG-Beschleunigungsgesetz festgeschrieben, völlig unverantwortlich ist.“

Die Umweltverbände kritisieren weiter, dass die Einleitgenehmigung ohne zeitliche Begrenzung beantragt wird. Damit wäre nach dem LNG-Gesetz eine Laufzeit bis 2043 möglich.

Beide Verbände sind sich einig: „Eine solche Laufzeit ist völlig inakzeptabel, da weder mit den Pariser Klimazielen noch mit den Zielen des Klimagesetzes auf Bundes- und Landesebene vereinbar. Eine derart lange Nutzungsdauer zementiert die Nutzung fossiler Energien, insbesondere des klimaschädlichen Frackinggases, über die nächsten Jahrzehnte. Wir fordern die zuständige Behörde deshalb auf, die Genehmigung bis maximal 2030 zu befristen!“

BUND und NABU erkennen die Notlage, in der sich Deutschland befindet, an und unterstützen ausdrücklich die Ziele der Energiesicherheit und der Energieunabhängigkeit. Das LNG-Beschleunigungsgesetz, das die Schaffung von 12 Terminals und sieben Pipelines in einem beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine Nutzung bis 2043 vorsieht, schießt jedoch weit über das Ziel hinaus. Die Verbände fordern die Politik auf, stattdessen den Einsatz fossiler Energieträger dringend zu reduzieren. Dazu bedarf es langfristiger und wirksamer Maßnahmen der Energieeinsparung, einer Steigerung der Energieeffizienz und massiven Investitionen in den naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energiequellen.

Hintergrund:
BUND und NABU haben gestern ihre Stellungnahme zu einer von Uniper beantragten Einleiterlaubnis für Abwässer in die Jade beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in Oldenburg eingereicht. Bei der Einleiterlaubnis handelt es sich bereits um das dritte Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten LNG-Terminal in Wilhelmshaven. BUND und NABU hatten bereits Ende Juli eine kritische Stellungnahme zum wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren für die Ertüchtigung des Anlegers abgegeben. Eine weitere Stellungnahme zur Zulassung des Terminals nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz haben beide Verbände am Montag eingereicht. Durch das im Juni 2022 erlassene LNG-Beschleunigungsgesetz wird in allen Genehmigungsverfahren zu LNG-Infrastruktur auf Umweltverträglichkeitsprüfungen verzichtet und die Beteiligungsfristen für die Öffentlichkeit auf zwei Wochen verkürzt. Eine sorgfältige Prüfung der Auswirkungen auf Mensch, Klima und Umwelt wird damit massiv erschwert.

Der im Genehmigungsverfahren beantragte Prozess sieht vor, dass das im LNG-Terminal benötigte Wasser aus der Jade eingesaugt wird. Damit sich das darin enthaltene organische Material nicht in den Rohrleitungen festsetzt, plant der Betreiber Uniper Biozide einzusetzen, um die Leitungen frei zu halten. Dieser Prozess wird als Antifouling bezeichnet. Beim alternativen mechanischen Verfahren kommen kalibrierte Kautschukbällchen zum Einsatz, um die Rohrleitungen frei zu halten. Die Bällchen werden am Ende wieder aufgefangen und gelangen somit nicht ins Gewässer.

Kontakt:
Susanne Gerstner, Landesvorsitzende, BUND Landesverband Niedersachsen, susanne.gerstner(at)nds.bund.net

BUND-Pressestelle:
Elisabeth Schwarz, Tel. (0511) 965 69 – 32, Mobil (01515) 33 111 88, presse(at)nds.bund.net, www.bund-niedersachsen.de

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