BUND Landesverband Niedersachsen

Historische Kirschsorten im Alten Land

Der BUND Stade hat sich im Rahmen eines Förderprojektes auf die Suche nach historischen Kirschsorten im Alten Land gemacht. Zahlreiche alte Sorten wurden wieder entdeckt und damit ihr Bestand für die Zukunft gesichert.

Das Alte Land bei Stade ist das nördlichste Kirschanbaugebiet in Deutschland. Wegen der besonderen Standortverhältnisse – kühlfeuchtes Klima und schwere Marschböden – wurde hier über Jahrhunderte ein eigenes, in der Region selbst entstandenes Kirschsortiment angebaut, dessen Sorten ganz überwiegend ausschließlich im Alten Land verbreitet sind. Aufgrund der geänderten Handels- und Verbraucheransprüche sowie des hohen Flächendrucks auf die nahe an Hamburg gelegene Region sind die alten, regionaltypischen Sorten heute völlig aus dem Erwerbsanbau und überwiegend aus den Obsthöfen verschwunden. 

Regionales Förderprojekt : Auf der Suche nach verschollenen Sorten

Um herauszufinden, was von dem einstigen Sortiment der Altländer Kirschsorten noch überlebt hat und die noch vorhandenen Sorten für die Nachwelt zu retten, wurde im Jahr 2015 ein regionales Kirscherfassungsprojekt durch die BUND-Kreisgruppe Stade beantragt und von der Bingo-Umweltstiftung gefördert. Es konnten bisher 54 Kirschsorten aufgefunden werden, 44 davon sind "alte" Sorten (Entstehung vor 1950). Bemerkenswert ist, dass 34 dieser Sorten traditionelle Altländer Regionalsorten, also nur sehr beschränkt verbreitete Sorten darstellen. So viele Regionalsorten wurden bisher in keinem anderen kartierten Gebiet in Deutschland nachgewiesen und auch die Anzahl von 15 Erst- bzw. Neufunden für Deutschland ist einzigartig.

Erschreckend ist hingegen, dass 70 % der nachgewiesenen alten Sorten vom Aussterben bedroht, also i.d.R. nur noch auf einem bis zwei Bäumen vorhanden sind. Eine Sicherung dieser Sorten ist dringend notwendig und wurde bereits im Frühjahr 2016 mithilfe einer Bingo-Förderung begonnen. Die Sorten werden aktuell auf Jungbäumen angezogen und sollen nach erfolgter Virusüberprüfung wieder im Alten Land angepflanzt werden.

Interesse an alten Sorten nimmt zu

Vergleiche mit historischen Berichten über das Altländer Kirschsortiment zeigen, dass bisher noch längst nicht alle der einst verbreiteten Altländer Kirschsorten wiedergefunden wurden. Als Reaktion auf einen Vortrag über die Projektergebnisse in der Versuchsanstalt Esteburg sowie auf einen darauf folgenden Presseartikel mit Sortensuchaufruf gingen beim BUND zahlreiche Baum- bzw. Sortenmeldungen ein, die derzeit geprüft werden und zur Auffindung weiterer, bisher verschollener Sorten führen können.

Die zunehmende Bekanntheit des Projektes hat dazu geführt, dass viele der anfänglich eher kritisch eingestellten Erwerbs-Obstanbauer sich zunehmend für das Thema interessieren, so dass auch von dieser Seite die Vermittlung weiterer Kontakte zur Sortenfindung angeboten wurde. Zudem existiert ein vielversprechendes Potenzial an bisher nicht untersuchten Bäumen, teilweise in alten Obsthöfen, teilweise im "öffentlichen Raum", vor allem auf den Binnendeichen. Gerade letztere Standorte sind akut bedroht, da der Deichverband bestrebt ist, aus Sicherheitsgründen die Bäume auf den Deichen zu roden. Eine der letztjährig erfassten Raritäten ist bereits im Winter 2015/16 oder 2016/17 diesen Rodungen zum Opfer gefallen.

Die BUND-Kreisgruppe Stade führt daher die Erfassungen fort, um weitere Sorten aufzufinden und für die Nachwelt zu erhalten. Das beinhaltet auch eine umfassende Dokumentation des Sortimentes sowie eine Erfassung der Blütenmerkmale der traditionellen Regionalsorten. Auf längere Sicht ist die Erstellung einer Sortenbroschüre geplant, die ausgewählte, besonders empfehlenswerte Regionalsorten und deren Eigenschaften vorstellen sowie deren Verwendung in Hausgärten und Obsthöfen propagieren soll.

BUND-Bestellkorb