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Erdgas

Erdgas ist in aller Munde. Es soll als Brückentechnologie zum Ausstieg aus der Verbrennung von Braun- und Steinkohle beitragen. Doch auch der Einsatz von Erdgas schadet dem Klima und bremst vielerorts die Motivation, die Erneuerbaren Energien schnell und wirkungsvoll auszubauen. Aus Sicht des BUND muss der Einsatz von Erdgas und aller anderen fossilen Energieträger so schnell wie möglich beendet werden.

Da der Ausbau der Erneuerbaren bisher nur schleppend vorankommt, fordern Industrie und Politik, Erdgas als Übergangslösung zu nutzen. Erdgas hat aktuell noch einen Anteil von gut einem Viertel am Primärenergieverbrauch in Niedersachsen, wovon ein Großteil in die Wärmeerzeugung fließt. Auch bei der Gewinnung spielt das Land bundesweit eine Schlüsselrolle: Mit fast 99 % Anteil an der deutschen Erdgasproduktion ist Niedersachsen das Zentrum der deutschen Erdgasförderung.

Klimakiller Erdgas

Erdgas ist ein fossiles Gasgemisch, das überwiegend aus Methan besteht und üblicherweise aus 3.000 bis 5.000 Metern Tiefe gefördert wird. Erdgas lässt sich mit Pipelines und Schiffen transportieren und in Tanks und unterirdischen Kavernen speichern. Noch sind weltweit genügend Reserven vorhanden, doch neue Lagerstätten erfordern einen immer höheren technischen Aufwand. Der Anteil an Erdgas aus ökologisch sensiblen Gebieten und aus Frackingprojekten - wie beispielsweise den USA - nimmt zu.

Auch wenn die Verbrennung von Erdgas in modernen Kraftwerken weniger CO₂ erzeugt als die Verbrennung von Kohle oder Heizöl, ist der Treibhausgasschaden beträchtlich. Zusätzlich kommt es entlang der gesamten Kette, von der Förderung über die Einspeisung und den Transport in Pipelines sowie die Lagerung in Kavernen und Tanks bis hin zu einer unvollständigen Verbrennung, zur Freisetzung von Methan. Methan ist ein gefährliches Klimagas. Auf einen Zeitraum von 100 Jahren gerechnet ist Methan, laut Weltklimarat, 28-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid, auf 20 Jahre sogar 81-mal. Das freigesetzte Methan wird oft nicht oder nur unvollständig in die Berechnung der Klimawirkung von Erdgas miteinbezogen.

Erdgasboom beruht auf Wirtschaftsinteressen

Warum setzen Bundes- und Landesregierung weiterhin auf die Gewinnung von Erdgas? Erdgas bietet eine bequeme Möglichkeit, um am Prinzip von Großkraftwerken an einer zentralisierten Energieversorgung festzuhalten und nicht an tieferen Strukturen unseres Energiesystems oder gar unserer energiehungrigen Lebensweise zu rütteln. Gleichzeitig umgehen Regierung und Konzerne potenzielle Konflikte hierzulande (z.B. im Zusammenhang mit der Ausweisung von Flächen, hohen CO2-Preisen etc.), verlagern die Probleme in die Länder, die Erdgas fördern und in der Konsequenz auch in die Teile der Erde, die von den Folgen des Klimawandels schon heute akut bedroht sind.

Deutschland bezieht Erdgas hauptsächlich aus drei Ländern: Russland, Norwegen und den Niederlanden. Mehr als die Hälfte der Importe wird bisher noch von Russland abgedeckt – das Gas wird über Tausende Pipeline-Kilometer transportiert. Bundesweit plädiert die Gas-Lobby für den Ausbau der Gasinfrastruktur, mit dem Argument, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten – auch wenn die Erdgasnachfrage tendenziell abnimmt. Eine Studie des Umweltbundesamts zeigt, dass die Nutzung von Erdgas in Deutschland bei Einhaltung der Klimaschutzziele stark rückläufig ist und es somit schlicht keinen Bedarf für den massiven Ausbau von Gasnetzen gibt.

Dennoch setzt die Energieindustrie auf den Fuel Switch, also den Umstieg von Kohle auf Erdgas. Energieversorger planen den Neubau von Kraftwerken, in denen erst Erdgas, zum Teil mit einem geringen Prozentsatz beigemischtem Wasserstoff, ab 2035 dann nur noch „klimaneutrale Gase“ verbrannt werden. Problematisch ist dabei nicht nur, dass unter „klimaneutralen Gasen“ nicht ausschließlich grüner, sondern auch der aus Erdgas gewonnene, blaue und türkisfarbene Wasserstoff verstanden wird. Darüber hinaus ist bislang völlig ungeklärt, woher die entsprechenden Mengen an Wasserstoff kommen sollen. Da selbst die Nutzung von importiertem, grünem Wasserstoff nicht grundsätzlich klimaneutral ist und teils ethische Fragen aufwirft, muss der Fokus auf regional erzeugtem Wasserstoff liegen. Dessen Nutzung wird jedoch auch langfristig für Sektoren reserviert sein, in denen keine Alternativen zum Einsatz kommen können, z.B. in der Stahl- oder Chemieindustrie. 

Der massive Ausbau der Erdgas-Infrastruktur ist also keine Brückentechnologie. Vielmehr besteht die Gefahr von Fehlinvestitionen, mit denen Finanzmittel in den Sand gesetzt werden und die klimaneutrale Transformation verzögert wird.

Einstieg in die Wärmewende

Rund 80 % des genutzten Erdgases in Deutschland dient der Wärmeerzeugung in privaten Haushalten und in der Industrie. Für eine klimaneutrale Zukunft muss neben dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Steigerung von Energieeffizienz und Energieeinsparungen daher vor allem die Wärmewende im Fokus stehen.

Aus Sicht des BUND muss der Einsatz von Erdgas und aller anderen fossilen Energieträger so schnell wie möglich beendet werden. In Heizungsanlagen hat Erdgas keine Zukunft und auch Wasserstoff ist zu schade, um ihn zu verheizen. In allen aktuellen Studien zum deutschen Energiesystem spielen Erdgas-Anlagen zur Strom- oder Wärmeerzeugung bisher eine Rolle. Sie dienen der Flankierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und sollen später auf grünen Wasserstoff umgestellt werden. Diese Sichtweise muss sich ändern. Nur wenn nachgewiesen ist, dass eine Lösung ohne fossile Energien nicht realisierbar ist, dürfen erdgasbetriebene Anlagen noch neu errichtet und für eine begrenzte Zeit betrieben werden.

BUND-Forderungen

Als Sofortmaßnahmen in der drohenden Energiekrise fordert der BUND:

  • Eine bundesweite Kampagne sowie attraktive Förderangebote für Optimierungsmaßnahmen an bestehenden Heizungsanlagen. So lassen sich mit geringen Kosten mehr als 20 Prozent Energie in Gebäuden einsparen.
  • Förderstopp für den Einbau von Gasheizungen und sofortige Abschaffung von Förderstandards, die nicht mit dem 1,5 Grad-Ziel vereinbar sind (mindestens KfW-55 Standard).

Mittel- bis langfristig sind folgende Schritte unerlässlich:

  • Nationalen Mindesteffizienzstandards für Gebäude beschließen, damit ihre Einführung im Zuge der umfassenden GEG-Novelle in 2023 schnell, rechtssicher, klimazielkompatibel und sozialverträglich gelingt.
  • Sicherung von mindestens 25 Mrd. Euro pro Jahr für die Modernisierung von Gebäuden
  • Planung und Aufbau von Transport- und Importinfrastrukturen für grünen Wasserstoff und seine Derivate
  • Der Ausstieg aus fossilem Gas in Deutschland muss bis spätestens 2035 erfolgen. Dafür braucht es einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen analog zum Kohleausstieg.

Der BUND fordert auch von der niedersächsischen Landesregierung einen Ausstiegplan für fossile Infrastruktur. Ein Ausbau fossiler Infrastruktur insbesondere von verflüssigtem Erdgas (LNG) ist aufgrund umweltschädlicher Fördermethoden, hoher Energiebedarfe für Umwandlung und Transport, langer Investitionszeiträume und Nutzungsdauern von bis zu 50 Jahren nicht mit den Klimazielen vereinbar. Hierfür ist ein verlässliches Landes-Energiekonzept erforderlich, auf dessen Basis der Ausbau von Energieerzeugungs-, Speicher- und Übertragungsinfrastruktur vorangetrieben wird.

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