Mit den Atomkraftwerken Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C gehen am Freitag drei der letzten sechs AKWs in Deutschland vom Netz. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt das überfällige Ende der veralteten und gefährlichen AKWs. Besonders das niedersächsische AKW Grohnde stand bereits seit Baubeginn auf Grund zahlreicher Sicherheitsrisiken in der Kritik. Der BUND appelliert an die neue Bundesregierung, nun auch den vollständigen Atomausstieg zügig umzusetzen. Atomausstieg und Klimaschutz sind kein Widerspruch.
Heiner Baumgarten, Vorsitzender des BUND Niedersachsen: „Das Ende für das AKW Grohnde ist eine wichtige Etappe im deutschen Atomausstieg. Jahrzehnte haben wir auf die unzureichenden Sicherheitssysteme hingewiesen und die Störfälle kritisiert. Dass das AKW nun abgeschaltet wird, ist ein großer Erfolg für alle, die schon am Bauplatz in den 70ern demonstriert haben. Dabei ging es nie nur darum, etwas zu verhindern, sondern auch für eine nachhaltige und gerechte Energieversorgung einzustehen. Die neue Bundesregierung muss jetzt die naturverträgliche Energiewende weiter vorantreiben und gleichzeitig alle noch laufenden Atomanlagen in Deutschland abschalten.“
Das AKW Grohnde wies immer wieder schwere Mängel auf: So kann der Stahl des Sicherheitsbehälters, der nur in diesem AKW eingesetzt wurde, Risse bilden, es fehlen Erdbebenwarnsysteme, die Notfallpläne waren mangelhaft und bei einer Revision 1985 entdeckte man, dass das Notkühlsystem völlig defekt war. Insgesamt wurden seit der Inbetriebnahme mehr als 250 meldepflichtige Ereignisse registriert. Auch im zweiten niedersächsischen Atomkraftwerk in Lingen sind zahlreiche Probleme bekannt: Derzeit weist das AKW gefährliche Risse an Dampferzeugerheizrohren auf, die auf Korrosionsprozesse zurückzuführen sind. Ein Rohrbruch im laufenden Betrieb kann gravierende Folgen bis hin zur Kernschmelze haben.
Neben der Gefahr für Mensch und Umwelt, die von den AKWs oder der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen ausgeht, produzieren diese Anlagen weiterhin Atommüll. Da der Bau eines Atommülllagers noch in weiter Ferne liegt, muss der Müll deutlich länger als bisher genehmigt an den Zwischenlagerstandorten in ganz Deutschland stehen. Auch im AKW Grohnde wird der strahlende Müll noch über Jahre in den Hallen stehen bleiben. Die Zwischenlager sind schon jetzt ein Sicherheitsrisiko. Es fehlt etwa an Reparatur- und Inspektionsmöglichkeiten und der Schutz gegen potenzielle Terroranschläge ist unzureichend. Der BUND bemängelt, dass die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag keine Antworten für einen dringend benötigten transparenten und partizipativen Zwischenlagerprozess findet.
Bernd Redecker, BUND-Atomexperte: „Der Atommüll muss für eine Million Jahre sicher verwahrt werden. Da wird schnell klar: Atomenergie kann nicht gerecht oder umweltverträglich sein. Atomkraft ist darüber hinaus nicht nur zu teuer, sondern auch zu langsam, um eine Lösung für die Klimakrise zu liefern. Die Bundesregierung muss sich auch auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die gefährliche Atomkraft nicht mehr gefördert, sondern beendet wird. Besonders die europäische Einstufung von fossilem Gas und Atomkraft als nachhaltige Investition stellt völlig falsche Weichen.“
Hintergrund:
Das Atomkraftwerk Grohnde liegt nur 40 Kilometer südlich der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover bei Hameln an der Weser. Als eines der größten Atommeiler weltweit mit 1.360 MW liefert es seit 1985 Atomenergie für PreussenElektra. Auch die Stadtwerke Bielefeld sind an dem AKW beteiligt, das über Jahrzehnte hinweg Schauplatz großer Anti-Atom-Proteste und schwerer Auseinandersetzungen war.
Im Koalitionsvertrag halten SPD, Bündnis 90/Die Grüne und FDP am Atomausstieg fest, vermeiden aber aus Sicht des BUND notwendige Aussagen zum sofortigen Aus etwa der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen. Zudem fehlt jegliches Bekenntnis, einen Prozess zur deutlich längeren und sicheren Zwischenlagerung aufzusetzen. Gleichzeitig will die Koalition aufs Tempo drücken, um den ungeeigneten Schacht Konrad zu vollenden. Auch die Atommülllagersuche soll zügig vorangetrieben werden, ohne dass ausbuchstabiert wird, wie die dringend benötigten Verbesserungen hinsichtlich Beteiligung, Transparenz und Wissenschaftlichkeit ausgestaltet werden sollen. Aus Sicht des BUND müssen hier schnellstmöglich wichtige Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Suche gelingen kann. Die Koalitionäre bleiben mit ihren dünnen Ausführungen zur Atompolitik hinter dem Koalitionsvertrag der letzten Regierung zurück. Besonders unverständlich ist, dass es entgegen vorheriger Ankündigungen kein Bekenntnis gibt, die EU-Taxonomie mit fossilem Gas und Atom zu verhindern.
Weitere Informationen: www.bund-niedersachsen.de/atomkraft
Kontakt:
Heiner Baumgarten, Landesvorsitzender, BUND Niedersachsen, heiner.baumgarten(at)bund.net
Dr. Bernd Redecker, Sprecher Landesarbeitskreis Atom, BUND Niedersachsen, b.redecker(at)web.de
BUND-Pressestelle:
Dr. Tonja Mannstedt, Mobil (0171) 359 86 76, presse(at)nds.bund.net, www.bund-niedersachsen.de