BUND Landesverband Niedersachsen

EU-Frist für FFH-Schutzgebiete läuft morgen ab – Landesregierung muss zügig handeln

12. November 2013 | Artenschutz (NI), Landwirtschaft, Umweltpolitik (NI)

„Niedersachsen darf nicht die Lücke im europäischen Schutzgebietsnetz sein“, fordert Georg Wilhelm, Naturschutz-Experte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Niedersachsen. Anlass ist der Ablauf einer Frist, die sich aus der europäischen FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ergibt. Bis morgen (13. November 2013) hätten alle FFH-Gebiete, die Niedersachsen in der Vergangenheit nach Brüssel gemeldet hat, als Schutzgebiet ausgewiesen werden müssen, und zwar in der Regel als Naturschutzgebiet.

Von diesem Ziel ist das Land aber noch weit entfernt und steht im bundesweiten Vergleich sehr schlecht da. Es droht eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof. „Die rot-grüne Landesregierung hat hier eine schwere Hypothek von ihrer Vorgängerin übernommen“, stellt Wilhelm fest. „Der frühere Umweltminister Sander hatte die Pflicht zur Ausweisung der Schutzgebiete zuerst auf die Landkreise abgewälzt. Einige Landkreise, die sinnvolle Verordnungen erlassen wollten, hat das Umweltministerium auf verschiedenen Wegen äußerst wirkungsvoll davon abgehalten, zum Beispiel durch verwaltungsinterne Erlasse.“

Der BUND ist zuversichtlich, dass der rechtswidrige Zustand möglichst bald beendet wird. Wilhelm sagt: „Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung jetzt alle Anstrengungen unternimmt, um die Schutzgebietsausweisungen schnellstmöglich zu unterstützen. Ein wichtiger Schritt wäre ein Erlass mit anspruchsvollen Mindestanforderungen für Schutzverordnungen. Damit könnte das Land den Landkreisen den Rücken stärken.“ Laut BUND kann ein solcher Erlass mit geeigneten Mustertexten Wege aufzeigen, wie man FFH-Gebiete wirkungsvoll und rechtssicher unter Schutz stellen kann.

Hintergrund:

FFH-Gebiete müssen laut Art. 4 Abs. 4 der FFH-Richtlinie als Schutzgebiete ausgewiesen werden, und zwar so schnell wie möglich, spätestens aber sechs Jahre nach der Gebietsmeldung durch das Land und ihrer Anerkennung durch die EU-Kommission. Soweit schon Schutzverordnungen vorhanden sind, müssen sie den Anforderungen der Richtlinie entsprechen oder überarbeitet werden.

Da Niedersachsen erst sehr verspätet und nur nach wiederholten Verurteilungen der Bundesrepublik durch den Europäischen Gerichtshof genug Gebiete gemeldet hatte (Frist war bis 1995, ein Großteil der Meldungen erfolgte erst 2006), hat auch die Frist zur Schutzgebietsausweisung verspätet zu laufen begonnen. Ein Teil der Schutzgebiete hätte bis zum 8. Dezember 2010 ausgewiesen werden müssen, der Rest der Ausweisungen muss spätestens zum 13. November 2013 erfolgen. In einem Großteil der niedersächsischen FFH-Gebiete hat der Erlass oder die Änderung der Schutzverordnung aber noch nicht einmal begonnen.

Einen wesentlichen Teil der Verantwortung für die rechtswidrige Verschleppung der Schutzgebietsausweisungen trägt das Land, das bis zur Verwaltungsreform direkt für die Ausweisungen zuständig war: Das Umweltministerium hatte lange auf die Ausweisung von Schutzgebieten – vor allem in Privatwäldern – verzichtet und anstelle von Verordnungen Vertragsnaturschutz propagiert, obwohl offensichtlich war, dass die dafür eingeplanten Mittel völlig unzureichend waren und dies nicht funktionieren konnte.

Auch ist viel Zeit verloren gegangen, weil das Umweltministerium lange forderte, Landschaftsschutzgebiete als sogenanntes „mildestes“ Schutzinstrument für FFH-Gebiete zu wählen und die besser geeigneten Naturschutzgebiete (NSG) nur in Ausnahmefällen auszuweisen. Diese Linie wurde auch beibehalten, nachdem das Land 2008 die Verantwortung für die Schutzgebietsausweisung für FFH-Gebiete auf die Landkreise und Städte übertragen hatte. Noch im Sommer 2012 wurde seitens des Umweltministeriums gegen den Erlass von NSG-Verordnungen interveniert, mit denen die Schutzziele tatsächlich erreicht werden könnten (Naturschutzgebiet Rieseberg, Landkreis Helmstedt).

Erst in den letzten Wochen vor dem Regierungswechsel erließ die alte Regierung noch ein Vorschriftenpaket, zu dem auch ein Erlass für die Ausweisung von NSG in FFH-Gebieten gehörte, sofern es sich um Wälder handelt. Allerdings waren die Schutzregelungen nun so schwach, dass sie gegen europäisches Naturschutzrecht verstießen.

Die neue Landesregierung stellte dieses Vorschriftenpaket auf den Prüfstand und ließ Verbände und Interessensgruppen hierzu Stellung nehmen. Die Umweltverbände BUND, Greenpeace und NABU erarbeiteten daraufhin im Juni 2013 einen Alternativvorschlag für das Vorschriftenpaket. Dazu gehören auch anspruchsvolle Mindestanforderungen für Schutzverordnungen in FFH-Gebieten.

Eine Karte mit den niedersächsischen FFH-Gebieten können Sie online beim NLWKN einsehen (Layer FFH-Gebiete anklicken):
http://www.umweltkarten-niedersachsen.de/GlobalNetFX_Umweltkarten/  

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