Die Landesverbände Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern die Bundesländer im Einzugsgebiet der Weser auf, einen Notfallplan gegen ein drohendes katastrophales Fischsterben in Weser und Werra zu erlassen. Da die Salzkonzentrationen in Weser und Werra ein Vielfaches höher sind als in der Oder und die Wassertemperatur sich wegen des kleineren Wasserkörpers viel schneller auf 20° Celsius und mehr erhitzt, befürchtet der BUND, dass die Folgen dieser Umweltkatastrophe noch größer sein werden als im Jahr 2022 an der Oder.
Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen: „Die Bundesländer müssen sofort Konsequenzen aus dem katastrophalen Fischsterben an der Oder im Sommer 2022 ziehen. Mit dem extrem hohen Salzgehalt aus dem Kalibergbau und erhöhten Wassertemperaturen durch den Klimawandel existieren an Weser und Werra bereits zwei der drei Auslöser für ein Fischsterben. Wenn jetzt noch die Goldalge eingeschleppt wird, ist ein verheerendes Fischsterben wie im vergangenen Jahr an der Oder nur eine Frage der Zeit.“
Robert Bednarsky, Vorsitzender des BUND Thüringen, ergänzt: „Die Warnung des Umweltbundesamtes muss endlich ernst genommen werden. Die Goldalge kann quasi täglich auch in Weser und Werra auftauchen. Wenn das geschieht, muss ein Notfallplan bereits vorhanden sein. Die Bundesländer müssen sofort eine Task Force „Fischsterben“ gründen, um diesen Plan zu erarbeiten.“
„Die Naturkatastrophe an der Oder mahnt uns, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ein Fischsterben zu verhindern. Dazu gehört auch, unsere Flüsse, ihre Ufer und Auen wieder naturnäher zu entwickeln. Intakte Gewässer mit ausreichendem Überschwemmungsraum stärken die Selbstreinigung und die Widerstandskraft der Gewässer gegen die zunehmenden Folgen der Klimakrise“, meint Susanne Gerstner, Vorsitzende des BUND Niedersachsen.
Das zentrale Problem ist die Einleitung der salzhaltigen Abwässer durch K+S. An der Oder stieg 2022 die Chloridkonzentration an der Messstelle Hohenwutzen (Brandenburg) kurz vor dem Fischsterben von etwa 170 auf über 300 Milligramm/Liter an. In die Werra sind nach der amtlichen Einleitergenehmigung für K+S bis Ende 2023 am Pegel Gerstungen aber sogar Chloridkonzentrationen bis zu 1.820 Milligramm/Liter und ab 2024 bis zu 1.700 Milligramm/Liter zulässig. Durch Zuflüsse verdünnt sich die Konzentration auf dem Weg zur Mündung in die Nordsee. Damit gibt es auf über hundert Kilometer in Werra und Weser Bedingungen, bei denen die Goldalge bestens leben kann. Sie kommt bei Chloridkonzentrationen zwischen >300 bis >30.000 Milligramm/Liter vor und eine Algenblüte, bei der sie besonders viel Fischgift abgibt, kann bereits bei 350 Milligramm/Liter entstehen.
Die bisherigen Bemühungen zur Salzreduktion durch K+S reichen bei Weitem nicht aus, um das Risiko der Katastrophe auszuschließen. Nötig ist vielmehr, dass der bisher auf die Konzentration von 300 Milligramm/Liter festgelegte Zielwert für den „guten ökologischen Zustand“ von den Bundesländern im Rahmen der amtlichen Bewirtschaftungsplanung auf den Wert der bundesweit geltenden Oberflächengewässerverordnung von 200 Milligramm/Liter abgesenkt und die Erreichung dieses Zielwertes auch bereits flussaufwärts des Pegels Boffzen in Niedersachsen angestrebt wird.
10 Forderungen des BUND für den Notfallplan „Fischsterben“
- Die Bildung einer „Task Force Fischsterben“ durch die Bundesländer in der „Flussgebietsgemeinschaft Weser“ (FGG), die den erforderlichen Notfallplan ausarbeitet. Die FGG Weser besteht bereits und sollte wie zur Kalisalzproduktion als Koordinierungsgremium fungieren.
- Entwicklung und Beginn eines Monitorings der Goldalge (Prymnesium parvum) in Weser und Werra
- Informationskampagne zur Vermeidung der ungewollten Einschleppung der Goldalge
- Austausch der Messergebnisse von relevanten Parametern (Wassertemperatur, Salzkonzentration, Nährstoffgehalte) zwischen den Fachbehörden der Bundesländer und des Umweltbundesamtes und ihre gemeinsame Bewertung durch die zuständigen Behörden
- Beschleunigte Reduktion der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, z. B. durch Anlage von Gewässerrandstreifen im Flussgebiet Weser
- Wiederherstellung eines naturnahen Landschaftswasserhaushalts, um in Niedrigwasserphasen mehr Wasser aus der Fläche und dem Grundwasser für Werra und Weser zur Verfügung zu haben
- Stärkung der Widerstandskraft von Weser und Werra durch Reaktivierung von Auen und die Wiederherstellung der Durchgängigkeit sowie der Rückbau von Sohl- und Uferverbauen
- Absenkung der Salzkonzentrationen für den „guten ökologischen Zustand“ nach der Wasserrahmenrichtlinie auf 200 Milligramm/Liter gem. Oberflächengewässerverordnung
- Zwischen den Bundesländern abgestimmte Maßnahmen im Schadensfall, wie
- Reduktion der Salzeinleitung durch K+S
- Entsorgung der toten Fische
- Absperrung von gefährdeten Seitengewässern oder
- Einleitung von nicht belastetem Wasser aus der Edertalsperre oder anderen Stauhaltungen, um die Konzentrationen des Salzes oder anderer auslösender Faktoren zu verringern
- Nach einem Fischsterben:
- Fischbesatzmaßnahmen mit gewässertypspezifischen Fischen
- Monitoring der ökologischen Folgen und ihrer Entwicklung
- Evaluierung des Notfallplans
- Festlegung von Sanierungsmaßnahmen
Hintergrund:
Laut Umweltbundesamt (2023) waren eine Massenentwicklung der Brackwasseralge (Prymnesium parvum), auch Goldalge genannt, und die durch sie gebildeten Gifte Auslöser des Fischsterbens in der Oder im Jahr 2022. Diese Alge benötigt neben Nährstoffen, Licht und Temperatur auch salzhaltiges Wasser, um sich so massiv auszubreiten wie in der Oder. Es sei davon auszugehen, dass sich durch den Klimawandel, insbesondere durch die Zunahme von heißen und trockenen Sommerperioden, ein massives Fischsterben in der Oder und in anderen Gewässern wiederholen kann. An der Oder verendeten 25-50 Prozent der Fische.
Rückfragen:
Manuel Nerhoff, Gewässerreferent BUND Niedersachsen, Tel: (0511) 965 69 – 75, manuel.nerhoff(at)nds.bund.net
Thomas Norgall, BUND-Wasserexperte, thomas.norgall(at)bund-hessen.de
BUND-Pressestelle: Elisabeth Schwarz, Tel. (0511) 965 69 – 32, Mobil: (01515) 33 111 88, presse(at)nds.bund.net, www.bund-niedersachsen.de