Göttingen, Hannover, Northeim - Die geplante Höchstspannungsleitung von Wahle bei Peine nach Mecklar bei Bad Hersfeld stößt im Abschnitt C01 zwischen Hardegsen und Holtensen auf Widerstand von Naturschützern, Kommunen und Bürgern. Bei einem Gespräch im September über die Abweichungen der eingereichten Trasse von der Landesplanerischen Feststellung unter Leitung der Genehmigungsbehörde Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr wurde deutlich, dass es in diesem Abschnitt stark unterschiedliche Auffassungen zum Trassenverlauf gibt. Allerdings musste die Firma TenneT zugestehen, dass sie zu den Belangen des Naturschutzes nicht ausreichend Auskunft geben konnte. Dieses wurde in der vergangenen Woche bei einem Gespräch zwischen Naturschutzexperten aus der Region und TenneT bei der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr nachgeholt.
Stadt Hardegsen, Landkreis Northeim, NABU und BUND wollen zum weiteren strategischen Vorgehen in engem Austausch bleiben. Sie gehen davon aus, dass aufgrund der naturschutzfachlichen Sachlage TenneT und die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr endgültig von der Westtrasse Abstand nehmen.
Die geplante Höchstspannungsleitung von Wahle bei Peine nach Mecklar bei Bad Hersfeld soll eine bestehende 220 kV-Leitung ersetzen. Südlich des Umspannwerkes Hardegsen wurde in der Landesplanerischen Feststellung eine Variante festgelegt, die vom Umspannwerk Hardegsen auf die Autobahn A7 zu läuft und ab Bovenden parallel zur Autobahn bis Holtensen verläuft. Diese sogenannte Osttrasse würde weitgehend durch die ausgeräumte Agrar-Landschaft des Leinetales führen. Die Firma TenneT, die die Leitung bauen will, hat für die Planfeststellung jedoch eine Trasse eingereicht, die weiter im Westen über dem Solling vorgelagerte Bergrücken verläuft und dabei das FFH-Gebiet Weper, Gladeberg, Aschenburg kreuzt (sogenannte Westtrasse).
Dieses Gebiet ist durch sehr alte, totholzreiche Wälder in Kombination mit zum Teil extensivem Grünland, Halbtrockenrasen und Hecken gekennzeichnet. Gleichzeitig gibt es keine größere technische Infrastruktur, mit Ausnahme einer 110 kV-Leitung, die beim Bau der 380 kV-Leitung auf deren Gestänge mitgeführt werden soll. In dem Gebiet sind mit Ausnahme des Wendehalses alle einheimischen Spechtarten zu finden, außerdem brüten dort zahlreiche Rotmilane. Wegen der bedeutenden naturschutzfachlichen Wertigkeit des Gebietes sind beim Bau dieser Variante erhebliche nachteilige Auswirkungen zu erwarten. Deshalb wurde diese Westvariante im damaligen Raumordnungsverfahren auch verworfen.
Der BUND Landesverband Niedersachsen und die Stadt Hardegsen prüfen, ob sie rechtliche Schritte einleiten, sollte die Westtrasse genehmigt werden. Dabei kristallisieren sich beim derzeitigen Stand des Verfahrens vor allem drei Angriffspunkte heraus:
- Bewertung der Vorbelastung durch die 110 kV-Leitung von Hardegsen nach Göttingen, die nach dem Bau der 380 kV-Leitung rückgebaut und keine sichtbaren Beeinträchtigungen in der Landschaft hinterlassen wird.
- Artenschutzrechtliche Bestandserfassung und deren Bewertung
- Schutz des Grauspecht-Vorkommens zwischen dem Umspannwerk Hardegsen und Holtensen
Der Grauspecht kommt in dem reichstrukturierten Wald-Grünlandkomplex entlang der Westtrasse mit mehr als 1% und damit einem erheblichen Anteil der niedersächsischen Population vor. Dabei muss er für eine ausreichende Habitatgröße mehrere Waldflächen und die angrenzenden Grünländer zum Nahrungserwerb nutzen und zwischen ihnen ggf. durch die Leiterseile wechseln.
Allein durch die Bauphase wird der sehr störungsempfindliche und scheue Vogel erheblich gestört, was zu einem Erlöschen der Population in diesem Bereich führen kann. Nach dem Bau der Leitung ist er wegen seiner niedrigen Flughöhe durch Anflug an den Leiterseilen und ein erhöhtes Tötungsrisiko durch Greifvögel gefährdet, die die Höchstspannungsleitung als Ansitzwarte nutzen.
Der Grauspecht ist nach Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt und als lebensraumtypische Art für Wälder des FFH-Gebietes wertgebend. Auf nationaler Ebene gilt er als stark gefährdet und ist in der Bundesartenschutzverordnung in die Kategorie 2 streng geschützt eingestuft. In Niedersachsen wird der Grauspecht in der höchsten Gefährdungskategorie "Vom Aussterben bedroht" geführt, da hier nur eine sehr kleine Population lebt. Aus diesem Grund ist er nach der Niedersächsischen Strategie zum Arten- und Biotopschutz eine höchst prioritäre Art für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen.
Der Landkreis Northeim wird über eine eigene Klage nicht vor dem Erörterungstermin entscheiden, würde aber eine mögliche Klage des BUND inhaltlich unterstützen. Die Stadt Hardegsen wird sich auch hinsichtlich einer eigenen Klagebefugnis beraten lassen. Der Ortsrat Gladebeck hat bereits Mittel für die Unterstützung der BI Mensch und Milan zurückgestellt.