BUND Landesverband Niedersachsen

Viele offene Fragen nach der Einigung der Bundesländer auf den Bewirtschaftungsplan „Salz“ für Werra und Weser

31. März 2015 | Chemie, Landwirtschaft, Wasser, Flüsse, Meere (NI), Flüsse & Gewässer

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat in seiner heutigen Pressekonferenz die Einigung der Bundesländer vom Februar diesen Jahres zur Lösung der Abwasserprobleme aus dem Kalibergbau als völlig unzureichend kritisiert. „Ohne deutliche Nachbesserungen am Bewirtschaftungsplan `Salz`“ wird die Versenkung der Kalilauge fortgesetzt, die Oberweser-Pipeline gebaut und das Haldenwachstum geht weiter“, befürchtet der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Der BUND bezweifelt, dass die EU-Kommission ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland auf der Basis der jetzigen Planungen einstellen wird.
 
Nach einer ersten Bewertung kommt der BUND zu dem Ergebnis, dass Hessen sich gegen die übrigen Anrainer an Werra und Weser durchgesetzt hat und den „Vier-Phasen-Plan“ umsetzen wird. Hubert Weiger: „Die Länderregierungen müssen der Bevölkerung reinen Wein einschenken. Wir können nicht erkennen, wie die Nachbarländer mit der vorliegenden Vereinbarung den „Vier-Phasen-Plan“  und die Fortsetzung der rücksichtslosen Abbautechnik von K+S, die die Umwelt auf Jahrtausende belastet, stoppen wollen.“
 
In einer umfangreichen Stellungnahme begründet der BUND, warum der so genannte „Vier-Phasen-Plan“, den die Hessische Umweltministerin Priska Hinz (Bündnis 90/Grüne) zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Norbert Steiner von K+S entwickelt und am 29.09.2014 der Öffentlichkeit vorgestellt hat, die Problematik der Salzabwässer aus dem Kalibergbau nicht lösen kann. Einer der Hauptkritikpunkte des BUND am „Vier-Phasen-Plan“ betrifft die im Plan vorgesehene Verlängerung der Versenkung salzhaltiger Abwässer bis 2021. „Die Versenkung über das Jahr 2015 hinaus wäre eine umweltpolitische Provokation, die der BUND nicht hinnehmen würde“, formuliert Weiger die Haltung seines Verbandes. Bereits der längst geführte Nachweis, dass die jahrelange Versenkung zu einer großräumigen erheblichen Beeinträchtigung des Grundwassers führt, verbietet jegliche Fortsetzung dieser Art der Entsorgung. Für Weiger ist die Gefährdung des Trinkwassers, unseres Lebensmittels Nr. 1, ein Skandal. Das Land Hessen müsse die Versenkung sofort stoppen. Es sei ein politisches Possenspiel, wenn die Hessische Umweltministerin sich in dieser wichtigen Frage  hinter der formalen Genehmigungszuständigkeit des an ihre Weisungen gebundenen Regierungspräsidiums Kassel versteckt.
 
Der Bewirtschaftungsplanentwurf für das Flussgebiet Weser, der nach der Einigung der Bundesländer mit großer zeitlicher Verzögerung im letzten Monat endlich vorgelegte wurde, zeigt gravierende Widersprüche zu den bisherigen Positionen von Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf.
 
Widersprüchlich sind z. B. die Aussagen der Umweltministerinnen von Hessen und Thüringen zur Fortsetzung der Versenkung. Denn während die Hessische Umweltministerin laut ihrer Pressemitteilung vom 17.03.2015 „nach wie vor der Auffassung“ ist, „dass die realistischste Perspektive in einer mittelfristigen Lösung besteht, wie sie der 4-Phasen-Plan vorsieht“ und an ihrem Plan zur Verlängerung der Versenkung bis 2021 festhält, teilt ihre Kollegin aus Thüringen am selben Tag mit, dass der gemeinsame Bewirtschaftungsplan der Bundesländer „keine Zustimmung zu einer Verlängerung der Versenkerlaubnis nach 2015“ vorsieht. Damit bleibt unklar, ob Hessen sich in diesem wichtigen Punkt weiter an die Absprache mit K+S oder an die Vereinbarung zwischen den Bundesländern gebunden fühlt.
 
Auch hinsichtlich der verschiedenen Pipeline-Lösungen ergeben sich deutliche  Widersprüche zwischen den politischen Haltungen der Bundesländer und dem gemeinsamen Entwurf des Bewirtschaftungsplans „Salz“. Hessen hat sich im „Vier-Phasen-Plan“ auf eine Salzpipeline bis zur Oberweser verständigt und will so die Wasserqualität der Werra verbessern. Ein großer Teil des Salzabwassers aus dem Kalibergbau soll ab 2021 nicht mehr in die Werra, sondern mit Hilfe der Oberweserpipeline erst kurz vor der hessischen Landesgrenze in die Weser eingeleitet werden. Die Landtage in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen lehnen diese Pipeline, die zu einer Erhöhung der Salzbelastung in der Oberweser führen würde, verständlicherweise ab. Dennoch wird K+S im gemeinsamen Entwurf der Bundesländer für den Bewirtschaftungsplan „Salz“ zur Entscheidung über den Bau einer Pipeline zur Oberweser oder gar bis zur Nordsee aufgefordert.
 
Einen Hinweis, dass Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Oberweserpipeline möglicherweise bereits akzeptiert haben, sieht der BUND in der Festlegung des neuen Pegels zur Bestimmung des Salzgehaltes in der Weser bei Boffzen. Die Neuschaffung dieses Messpunktes macht für den BUND nur Sinn, wenn unterhalb von Boffzen im Bereich der Oberweser eine neue Einleitungsstelle geplant ist. Für alle anderen Fragestellungen genügen die bestehenden Pegelstellen, z.B. der Pegel bei Hemeln.
 
Wie schwierig die Situation ist, verdeutlicht ein Schreiben der EU-Kommission vom 02.03.2015, in dem die Kommission Niedersachsen kritisiert, weil es 2010 seine Entscheidung gegen eine Pipeline-Lösung im Jahr 2010 „nicht allein auf der Grundlage einer politischen Erwägung“ hätte treffen dürfen.
 
Inakzeptabel ist für den BUND die im „Vier-Phasen-Plan“ und im Entwurf des Bewirtschaftungsplans angelegte Verdoppelung des heutigen Volumens der Salzhalden und die daraus folgenden gewaltigen Salzfrachten über mehrere tausend Jahre. „Diese Politik ist nicht generationengerecht. Sie verlängert die Umweltbelastungen durch Haldenabwässer nicht um nur einige Jahrzehnte oder Jahrhunderte, sondern gleich um weit mehr als tausend Jahre in die Zukunft“, kritisiert Weiger.
 
Das Problem der Haldenabwässer ist enorm. Schon heute werden zwei Millionen Kubikmeter Abwasser aus den Halden in das Flusssystem von Werra und Weser entsorgt. Bleibt es bei den bisherigen Planungen, dann würde der Anteil der Haldenabwässer Jahr für Jahr steigen bis er sich zum prognostizierten Ende des  Kalibergbaus hin auf vier Millionen Kubikmeter verdoppeln und dann den überwiegenden Teil der zu entsorgenden gesamten Salzfracht ausmachen würde. Die Halden in den hessischen Orten Neuhof und Heringen sind bereits über 120 bzw. 200 Meter hoch. Bei einer Verdoppelung ihres Volumens würden aus den heutigen Kalibergen kleine gebirgsähnliche Höhenzüge entstehen.
 
Gravierender als die Veränderungen des Landschaftsbildes sind für den BUND aber die ökologischen Ewigkeitslasten der Kalihalden. Da eine Kalihalde sich durch Niederschläge auf natürliche Weise auflöst, bedeutet ein Wachstum der Salzhalden automatisch eine Verlängerung der Zeit, bis die Folgen des Kalibergbaus wieder aus der Landschaft verschwunden sind. Bei den heutigen durchschnittlichen Niederschlagsmengen erfolgt die Auflösung der Halden aber nur sehr langsam mit einer Abbaurate von 10 cm pro Jahr. Halden von 200 oder 300 Meter Höhe werden so erst in 2000 bzw. 3000 Jahren aufgelöst sein. In dieser Zeit wird aus den Kalihalden Minute für Minute Salzwasser in den Untergrund abgegeben und Minute für Minute entsteht zusätzliches Abwasser, dass abgefangen und über die Flüsse entsorgt wird. „Wer dem weiteren Haldenwachstum das Wort redet, handelt nach dem Prinzip „nach mir die Salzflut“, verurteilt der BUND-Vorsitzende Weiger die Praxis des steten Haldenwachstums.
 
Als Alternative zum unaufhörlichen Haldenwachstum fordert der BUND, dass die Abraummengen von K+S sukzessive wieder unter Tage verbracht werden. „Es entspricht dem allgemein üblichen  Verursacherprinzip, dass ein Unternehmen seine Abfälle parallel zu seiner Produktion schadlos entsorgt und sie nicht den nachfolgenden Generationen aufbürdet“, stellt Weiger klar und fordert die Bundesländer auf, die Sonderbehandlung von K+S umgehend zu beenden.
 
Auch die nun diskutierte Teilabdeckung der Halden sieht der BUND kritisch, denn sie verlängert lediglich die Zeit der Haldenauflösung. Bei einer Abdeckung von 70 % wird zwar die heute nötige Einleitmenge in die Werra verringert, dafür verlängert sich die Dauer der Salzeinleitung aber auch um 70 %. Bei einer Haldenhöhe von 200 Metern dauert die Auflösung dann nicht rund 2000, sondern etwa 3400 Jahre.
 
 
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