Flussmündungen wie jene der Elbe bergen einen reichen Schatz: Salzwiesen, Tideauwälder, Röhrichte, Süß- und Brackwasserwattgebiete, Flachwasserbereiche und Flussinseln bilden ein abwechslungsreiches Mosaik wertvoller Lebensräume.
Wandernde Fischarten wie Lachs, Schnäpel, Stör, Neunauge, Aal und Finte sind auf die Tideelbe als Durchzugsstation angewiesen. Nur wenn sie die Flussmündungen vom dauernd bewohnten Lebensraum zum Laichplatz durchwandern können, ist ihr Nachwuchs gesichert. Hindernisse wie z.B. Sauerstofflöcher gefährden ihren Bestand.
Vertiefung ohne Ende?
Seit dem 19. Jahrhundert greift der Mensch massiv in das Ökosystem Tideelbe ein: Der Fluss wurde begradigt und eingedeicht, die Schifffahrtsrinne verbreitert und vertieft. Aus drei bis vier Meter Tiefe (Seekartennull) wurden im Lauf von zwei Jahrhunderten 15 Meter. Bei der aktuell geplanten Elbvertiefung auf 17 bis 19 Meter (unter NN) handelt es sich um den historisch größten Eingriff in die Tideelbe zwischen Hamburg und der Nordsee. Mit rund 40 Mio. Kubikmetern soll drei Mal mehr Sediment aus dem Fluss gebaggert werden als bei der letzten Vertiefung im Jahr 1999.
Riesige Laderaumsaugbaggerschiffe, Hopperbagger genannt, werden dabei zum Einsatz kommen. Wie Staubsauger nehmen diese das Baggergut an der Gewässersohle mit einem Saugrohr auf und pumpen es in den Laderaum. Das Verfahren ist schnell, hat aber einen großen Nachteil: Wo der Hopperbagger saugt, bleiben tote Gewässerböden zurück. Ob Krebstiere, Würmer, Muscheln oder Schnecken – die Kleinlebewesen am Grund fallen dem Kahlschlag zum Opfer.
Zudem würde eine weitere Vertiefung das jetzt schon starke Ungleichgewicht zwischen Auf- und Abstrom weiter verstärken. Die Natur ist auf Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts gerichtet. Nach der letzten Vertiefung reagierte sie mit einem verstärkten Transport von Sedimenten. Die Folgen: drastische ökologische Belastungen, das Auftreten von Sauerstofflöchern und stark gestiegener Baggerungsaufwand mit hohen Kosten.
Und damit nicht genug: Die höhere Geschwindigkeit der Tideströmung in der tieferen Fahrrinne greift die steiler abfallenden Ufer an. Um diese vor Abbrüchen zu schützen, werden naturnahe Uferlebensräume unter Stein- und Schottermassen verschüttet. Durch erhöhte Sedimentation in den Seitenräumen und ein Absinken der Wasserstände bei Ebbe fallen außerdem ökologisch wertvolle Flachwasserbereiche trocken und verlanden.
Alternativen zur Elbvertiefung
Angesichts des enormen Eingriffs in die Tideelbe sieht der BUND keine Notwendigkeit für eine weitere Elbvertiefung. Für die wenigen Schiffe, die Hamburg aufgrund ihres Tiefgangs nicht anlaufen können, gibt schon heute Alternativen. Der speziell für große Schiffe gebaute Tiefwasserhafen JadeWeserPort (JWP) in Wilhelmshaven wurde extra für solche Fälle geplant und für rund 600 Millionen Euro fertiggestellt. Aufgrund der Konkurrenz der deutschen Seehäfen werden dort derzeit aber nur wenige Schiffe pro Woche abgefertigt – eine volkswirtschaftlich verheerende Fehlentwicklung.
Der BUND fordert:
• Hafenkooperation statt Flussvertiefung
• Naturschutz statt Subventionswettlauf
• Maßnahmen zur Bekämpfung des „Sauerstofflochs“ in der Tideelbe
• Schutz und Entwicklung des vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel
Gericht stoppt Elbvertiefung
Es gibt weiterhin kein grünes Licht für die geplante Elbvertiefung. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 9. Februar 2017 verkündet, dass der vorliegende Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden kann. Das Urteil ist der erfolgreiche Schlusspunkt der Klage der Umweltverbände BUND und Nabu, die vom WWF unterstützt wurde. Der BUND Niedersachsen hat das Klageverfahren, das als bislang größter Umweltrechtsprozess der Bundesrepublik gilt, finanziell, personell und fachlich unterstützt.
Die Richter kritisierten, dass die Auswirkungen auf die Natur unterschätzt wurden und die geplanten Reparaturmaßnahmen bei weitem nicht ausreichen. So seien die Beeinträchtigungen der vom Aussterben bedrohten Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel durch die mit der geplanten Elbvertiefung verbundene Erhöhung der Salzgehalte unterschätzt worden. Weiter führten die Richter aus, dass die auf niedersächsischem Gebiet liegenden Ausgleichsmaßnahmen nicht umfänglich als spezieller Ausgleich für den schweren Eingriff in die Elbe gelten könnten, weil sie Pflichtmaßnahmen für Schutz und Pflege der Naturschutzgebiete seien. Somit ist der Etikettenschwindel der Planungsbehörden, die das Naturschutzpflichtprogramm als speziellen Ausgleich für den schweren Eingriff in die Elbe verkaufen wollten, aufgeflogen. Erfreulich ist, dass das Urteil über den Einzelfall hinaus die Beachtung der deutschen und europäischen Naturschutzvorschriften auch bei großen Infrastrukturplanungen stärkt.