BUND Landesverband Niedersachsen

Das plant Rot-Grün in Niedersachsen

SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben im November 2022 ihren Koalitionsvertrag für Niedersachsen veröffentlicht. Der BUND Niedersachsen ist mit dem Ergebnis in Teilen zufrieden: ehrgeizige Ziele und Maßnahmen im Klimaschutz und beim Ausbau der Erneuerbaren, jedoch zu unkonkret vor allem im Natur- und Artenschutz. SPD und Grüne wollen, dass Niedersachsen bis spätestens 2040 klimaneutral wird, planen Ausbauoffensiven für Wind und Solar und beispielsweise eine Solarpflicht auch bei grundlegenden Dachsanierungen. Ausdrücklich lobenswert ist das klare Bekenntnis zum konsequenten Atomausstieg und zum Frackingverbot.

Zu vage sind jedoch die Aussagen beim Ausstieg aus der Erdöl- und Erdgasförderung und der Umstellung von Flüssigerdgas (LNG) auf grünen Wasserstoff. Hier fordert der BUND seit langem klar definierte Ausstiegsdaten, damit die Klimaziele erreicht werden können. Ambitionierte Ziele formuliert die künftige Koalition teilweise im Verkehrsbereich. Sie möchte Niedersachsen zum Vorreiter für eine klimafreundliche und sozial gerechte Mobilität machen und strebt einen Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs an – wie schon lange vom BUND gefordert. Die Aussagen zum Straßenverkehr konterkarieren jedoch die hohen, selbst gesteckten Zielen von Rot-Grün im Klimaschutz. Es fehlt eine klare Abkehr vom Neubau umwelt- und klimaschädlicher Fernstraßenvorhaben. Damit wird die Chance für eine konsequente Mobilitätswende verpasst.

An verschiedenen Stellen will sich die Regierungskoalition für eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren einsetzen. Der BUND unterstützt zwar grundsätzlich schnellere Verfahren, fordert jedoch ein, dass eine Beschleunigung nicht auf Kosten von Umweltvorsorge und Bürger*innenbeteiligung erfolgen darf. Die Entwicklung konkreter Maßnahmen kritisch wird der Umweltverband daher begleiten.

Bei den Zielen der Koalitionäre zum Natur- und Gewässerschutz sieht der BUND Licht- und Schattenseiten: Positiv bewerten wir das Bekenntnis zur konsequenten Umsetzung des Niedersächsischen Weges für mehr Artenschutz, für naturnahe Flüsse und Auen, einen ökologischen Umbau unserer Wälder und den Moorschutz. An vielen Stellen bleibt der Koalitionsvertrag jedoch zu vage. Dabei brauchen wir für den Schutz unserer natürlichen Ökosysteme ebenso ambitionierte Maßnahmen wie für die Energiewende. Wälder, Moore und Gewässer spielen gerade in Zeiten der Klimakrise eine immer wichtigere Rolle als natürliche Speicher für Treibhausgase und als wertvolle Lebensräume. Hier erwartet der BUND von der Landesregierung ein konkretes Investitionsprogramm für die biologische Vielfalt in Niedersachsen.

Bewertung des Koalitionsvertrages der Niedersächsischen Landesregierung von November 2022 anhand der 10 Forderungen des BUND Niedersachsen für die Landtagswahl:

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1. Energie einsparen und klimaneutral erzeugen

Klima

Wir begrüßen das Ziel der Koalition, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Positiv sehen wir, dass noch im ersten Regierungsjahr das Niedersächsische Klimaschutzgesetz überarbeitet werden soll inklusive der Festlegung ehrgeiziger jährlicher Zwischenziele und Maßnahmen mit dem Grundsatz „Vermeidung vor Kompensation“. Die Landesverwaltung soll dabei Vorbildfunktion erfüllen und bis 2035 klimaneutral sein. Der kommunale Klimaschutz soll gestärkt werden, die vom BUND bislang als deutlich zu lasch bewerteten Fristen zur Umsetzung von Klimaschutzkonzepten, zur Erarbeitung von Entsiegelungskatastern und kommunalen Wärmeplänen sollen überprüft und – so die Erwartung des BUND – deutlich ambitionierter als bislang ausfallen. Die Einführung kommunaler Wärmepläne auch für kleine Kommunen, wie vom BUND gefordert, soll zumindest geprüft werden. Ein positives Vorhaben ist die Einrichtung eines Klimarates unter Beteiligung von Wissenschaft, Sozialpartnern und Verbänden, welcher die Landesregierung berät und jährlich in Form von Klimaberichten zusätzliche Maßnahmen vorschlägt. Viele Ansätze bewerten wir positiv, allerdings kommt es auf die Umsetzung an: Vielerorts fehlen konkrete Maßnahmen und Zeitpläne.

Energie

Allein auf Windenergie als klimaneutralen Energieträger zu setzen, reicht nicht aus.

Wir unterstützen das Ziel, den Energiebedarf des Landes bis 2040 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu decken, bis 2035 sollen bereits 90 Prozent erreicht werden. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt dabei auf der Schaffung von Energieerzeugungskapazitäten, vergleichsweise wenig konkrete Aussagen werden zur Senkung des Energieverbrauchs getroffen. Sinnvolle Ansätze hierfür wären die vom BUND geforderte flächendeckende Energiesparberatung, eine Energieeffizienz-Offensive sowie die Anhebung der jährlichen energetischen Gebäudesanierungsquote auf 2,5 Prozent. Wir befürworten das Vorhaben, einen detaillierten Plan zu den Ausbau- und Importbedarfen sowie den Anforderungen an die Infrastruktur im ersten Jahr vorzulegen, inklusive einer Darstellung der Ausbauziele bis auf die Ebene der Regionalplanung. Gleichzeitig soll die Geschwindigkeit bei Planungs- und Genehmigungsverfahren unter Einbeziehung sämtlicher Interessen erhöht werden. Der BUND wird die Entwicklung konkreter Instrumente zur Verfahrensbeschleunigung kritisch begleiten. Ein von der Koalition geplanter „Klimavorrang“ muss so umgesetzt werden, dass auch der Schutz der biologischen Vielfalt im „überragenden öffentlichen Interesse“ steht und in gleichem Maße und mit gleichem Ehrgeiz vorangetrieben wird. Anlagenbetreiber zu verpflichten, Kommunen, Bürger*innen und lokale Energiegenossenschaften vor Ort zu beteiligen, ist hier ein positiver Schritt. Der BUND fordert einen massiven Ausbau von Möglichkeiten der Teilhabe, z. B. indem Erzeuger-Verbraucher*innengemeinschaften mit notwendigen Rechten ausgestattet, Marktprämien für Bürger*innenenergieprojekte und kostenfreie Gründungsunterstützungen eingeführt werden.

Das Flächenziel der Windenergienutzung von 2,2 Prozent der Landesfläche trägt der BUND mit. Eine geplante Anhebung des Ausbauziels auf 2,5 Prozent, wenn das Ausbauziel des Niedersächsischen Klimagesetzes in Gefahr sein sollte, geht allerdings aus Sicht des BUND nicht die Ursache des Problems an. Denn es scheitert nicht an Zielen, sondern an der Umsetzung. Unklar bleibt die Aussage, dass sich bei der Mobilisierung der notwenigen Flächen für den Ausbau Artenschutz und Klimaschutz nicht im Wege stehen dürfen. Richtig ist, dass es bundesweiter Standards anstatt einer Aufweichung des Artenschutzrechtes bedarf. Die von der Koalition angekündigten Artenschutzprogramme und ein regelmäßiges Monitoring für windsensible Vogel- und Fledermausarten müssen konsequent geplant und umgesetzt werden – der BUND fordert hier eine konkrete Strategie mit Maßnahmen und Zeitplan. Wir unterstützen eine Verbesserung der Planungssicherheit durch konsequente Festlegung von Vorrang- und Ausschlussgebieten, verbesserte Antragsunterlagen und die Bereitstellung aktueller planungsrelevanter Daten seitens des Landes. Beim Repowering von Anlagen fordert der BUND, mögliche frühere Planungsfehler zu korrigieren.

Der BUND trägt das Ausbauziel der Photovoltaiknutzung von 65 GW bis 2035 mit, wobei die vorrangige Nutzung auf vorhandenen und neu errichteten Dächern sowie auf bereits versiegelten Flächen massiv vorangetrieben werden muss. Der BUND fordert, Kriterien für eine naturverträgliche PV-Entwicklung und entsprechende Steuerungsinstrumente auf Ebene der Landes- und Regionalplanung zu nutzen, um einen Wildwuchs zu vermeiden.

Die Konzentration der Bioenergie auf Wirtschaftsdünger, Abfall- und Reststoffe begrüßen wir, ebenso wie die Bemühungen, den Kohleausstieg des Bundes auf 2030 vorzuziehen.

Kritisch sehen wir die Unterstützung der Offshore-Ausbau-Ziele des Bundes und die Schaffung der Voraussetzungen für die Anlandung dieser Anlagen in Niedersachsen, denn es ist bislang völlig unklar, wie das geplante Ausbaumaß verträglich mit den Zielen des Weltnaturerbes Nationalpark Wattenmeer umgesetzt werden soll.

Aus Sicht des BUND ist ein Ausbau fossiler Infrastruktur für Erdgas im Wattenmeer oder für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) aufgrund umweltschädlicher Fördermethoden, hoher Energiebedarfe für Umwandlung und Transport, langer Investitionszeiträume und Nutzungsdauern weit über 2040 hinaus nicht mit den Klimazielen vereinbar. Die Koalition plant Terminals, die für den Import von fossilem Erdgas genutzt werden, prioritär und schnellstmöglich für grüne, klimaneutrale Gase zu nutzen. Aktuelle Studien belegen, dass dies nur mit hohem technischen und finanziellen Aufwand möglich sein wird. Die Fokussierung der Produktion und des Imports von grünem Wasserstoff auf Anwendungsfelder, die nicht direkt auf erneuerbaren Strom umgestellt werden können (z.B. Chemie- und Stahlindustrie, Schiffs- und Flugverkehr) hält der BUND für sinnvoll. Einen Beitrag zur Klimaneutralität kann Grüner Wasserstoff jedoch nur leisten, wenn er energieeffizient erzeugt, transportiert und genutzt wird und strenge Nachhaltigkeitskriterien für den Import gelten. Die Pläne der Koalition, die Nutzung und Förderung von Erdgas und Erdöl an den Klimazielen auszurichten und schnellstmöglich zu beenden, eine Förderung nur unter höchsten Standards zu erlauben und neuen Fördergenehmigungen in sensiblen Bereichen wie Wasserschutzgebieten oder dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zu erteilen, sind begrüßenswerte Ansätze. Sie werden aber von aktuellen Plänen zur Erdgasförderung im Wattenmeer eingeholt und gehen nicht weit genug. Neue Fördervorhaben lehnt der BUND strikt ab und fordert ein konsequentes Ausstiegsszenario aus der Erdgasförderung.

2. Atomausstieg auf ganzer Linie

Das Bekenntnis zum Atomausstieg und die Sicherstellung des unverzüglichen Rückbaus der Atomkraftwerke (AKW) in Niedersachsen sind konsequent und werden selbstverständlich vom BUND mitgetragen. Es fehlt jedoch an Vollständigkeit: Ein Uranimportstopp zur Brennelementefabrik in Lingen soll ausschließlich auf Russland beschränkt werden. Der BUND fordert hingegen einen kompletten Fertigungsstopp. Zudem sind die Sicherheitsprüfungen für das AKW Emsland zu vage, als minimale Anforderung ist hier die Kontrolle aller Dampferzeugerrohre auf der gesamten Länge anzusetzen. Insbesondere bei der Zwischenlagerung reicht es nicht aus, ein Höchstmaß an Sicherheit anzukündigen, hier braucht es völlig neue Konzepte unter stärkerer Einbindung der Anwohner*innen. Positiv zu sehen ist, dass die Endlagersuche transparent und fair gestaltet und Informationen für Bürger*innen bereitstellen sollen. Allerdings wird die finanzielle Unterstützung hierfür auf Kommunen beschränkt. Hier bedarf es einer stärkeren Einbindung der Zivilgesellschaft. Hoffnungsvoll stimmt uns der Zweifel der Koalition an der Eignung von Schacht Konrad als Atommülllager, der BUND bewertet diesen als ungeeignet und fordert den Planfeststellungsbeschluss zurück zu nehmen. Die Koalition will sich, wie seit langem vom BUND gefordert, für eine schnellstmögliche Stabilisierung und Rückholung der Atomabfälle aus dem Bergwerk Asse II und eine konstruktive und schnelle Lösung der Zwischenlager-Standortfrage einsetzen. Was dies aber in der konkreten Umsetzung bedeutet, erläutert der Koalitionsvertrag nicht.

3. Nachhaltige Mobilität für Alle

Damit die notwendige Verkehrswende gelingen kann, muss klima- und umweltfreundliche Mobilität Vorrang bekommen - nur so kann die Abhängigkeit vom Auto durchbrochen werden. Diese allgemeine Zielsetzung teilt der BUND. Zu kritisieren ist, dass der Hauptfokus im Koalitionsvertrag auf einer Verlagerung zu Elektromobilität liegt und kaum auf einer Verkehrsreduzierung. Positiv sind die Pläne der Koalition, sich für einen kostengünstigen und attraktiven Nahverkehr einsetzen, mit einer Verdopplung der Fahrgastzahlen bis spätestens 2030, bedarfsgerechten Mobilitätsangeboten im ländlichen Raum in Form von Rufbussen, Bürger*innenbussen und On-Demand-Angeboten sowie der Kofinanzierung des bundesweiten 49-Euro-Tickets und eines günstigen landesweiten Tickets  für alle Schüler*innen, Azubis und Freiwilligendienstleistende. Eine Mobilitätsgarantie, die der BUND für ganz Niedersachsen fordert, soll zunächst in zwei Modellregionen erprobt werden. Die Koalition steht, wie auch vom BUND gefordert, hinter den Zielen des Deutschlandtaktes und der Verbesserung des Schienenverkehrs, inklusive eines landschafts- und umweltschonenden Ausbaus der ICE-Strecken Hamburg-Bremen-Hannover und Hannover-Bielefeld sowie einer Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken und Haltestellen.

Positiv hervorzuheben ist das Ziel, ein durchgängiges, sicher befahrbares Radverkehrsnetz in Niedersachsen zu schaffen. Hierzu soll unter anderem das Radwegekonzept 2026 neu aufgestellt und mit zusätzlichen Mitteln erweitert, kommunale Fahrradmobilitätskonzepte unterstützt und die kostenlose Fahrradmitnahme im Nahverkehr angestrebt werden. Bis spätestens 2030 soll der Radverkehr so von 15 Prozent auf mindestens 25 Prozent gesteigert werden. Die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr soll zu einer „Mobilitätsbehörde“ weiterentwickelt werden. Der BUND teilt die Zielsetzung, eine Untersetzung der Ziele mit konkreten Maßnahmen fehlt jedoch.

Nicht ausreichend ist der Einsatz der Koalition, auf Bundesebene eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen und die Erweiterung der Möglichkeiten für Kommunen bei Tempo 30 umzusetzen. Der BUND fordert hier ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, Tempo 80 außerorts und Tempo 30 in der Stadt. Damit könnten bis 2034 bundesweit bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart, ein Entwicklungsschub für kleinere, leichtere, sparsamere Fahrzeuge gegeben und tödliche Unfälle verringert werden.

Die Aussage im Koalitionsvertrag, die Bundesregierung bei den gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsplanüberprüfungen zu unterstützen und dabei auch die Anforderungen aus dem Klimaschutzprogramm 2030 und das Bundesklimaschutzgesetz zu berücksichtigen, ist ungenügend. Der BUND fordert die Landesregierung auf, sich für einen Stopp der Neubaupläne für Bundesfernstraßen einzusetzen. Insbesondere der Bau der A 20 ist als natur- und umweltschädlichstes Projekt des Bedarfsplans zu stoppen, da durch ihn Tausende Hektar Moorböden versiegelt und Hunderttausende Tonnen CO2 freigesetzt würden. Ein Lückenschluss der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg muss anstatt durch eine 4-spurige Autobahn durch einen Ausbau der Bundesstraße erfolgen.

Gespräche mit dem Flughafenbetreiber Hannover über die Möglichkeit einer Verminderung von Nachtflügen aufzunehmen, ist zu wenig. Für einen sinnvollen Lärmschutz braucht es ein Verbot von Nachtflügen.

4. Ressourcenschonend wirtschaften

Wir begrüßen die sehr allgemein gehaltenen Ziele, die Ressourcenverschwendung zu beenden, die Kreislaufwirtschaft zu stärken sowie regionale Wertschöpfungsketten auszubauen. Insbesondere viele Baustoffe sollen einem Recycling zugeführt und stärker als Sekundärbaustoffe genutzt werden. Sanierung soll möglichst oft Vorrang vor Neubau bekommen. Mit der Berücksichtigung von Kriterien für Langlebigkeit und Reparierbarkeit sowie der Anteilserhöhung von Recycling- und ökologischen Baustoffen im öffentlichen Vergaberecht geht die Koalition richtige Schritte.

Grundsätzlich positiv ist, die angestrebte Reduktion der Neuversiegelung bis 2027 auf drei Hektar pro Tag zu senken und diese damit schneller als gesetzlich verankert umzusetzen. Die Koalition bekennt sich dazu, für große Unternehmen Flächen anzubieten, die in einem überschaubaren Zeitraum nach den Bedürfnissen der Nutzer entwickelt werden sollen. Das angestrebte Konzept zur Begrenzung des Flächenverbrauches, das Flächenausgleich, Brachflächen, Altlastensanierung sowie Klima- und Naturschutz berücksichtigen soll, bleibt dabei äußerst vage.

Der BUND fordert eine wirksame Strategie und eine konsequente Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion der Flächenversiegelung und des Flächenverbrauches.

5. Landwirtschaft ökologisch und sozial gestalten

Das Bekenntnis zu den EU-Zielen des Green Deal für mehr Klimaschutz und Farm to Fork-Strategie sowie die kritische und aktive Beteiligung an der Evaluierung und Umsetzung des nationalen GAP-Strategieplans teilt der BUND. Ebenso die Aussagen zu den Zielen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), der Ernährungsstrategie Niedersachsen und dem Niedersächsischen Weg. Dies schließt die Ziele für die Ausweitung des Ökolandbaus auf mindestens 10 Prozent bis 2025 und mindestens 15 Prozent bis 2030 ein. Hierfür soll mit der Umsetzung des Niedersächsischen Aktionsplans „Ökolandbau 2030“ umgehend begonnen und die Wirksamkeit der Öko-Modell-Regionen evaluiert werden. Übereinstimmend mit den Forderungen des BUND soll ein Schwerpunkt auf die Stärkung der öffentlichen Nachfrage für Bioprodukte liegen. Mit einem Stufenplan, der Anreize, Beratung und Förderung beinhaltet, sollen Kantinen und Gemeinschaftsverpflegungen bis 2030 auf Bio umgestellt werden. Die Einrichtung von ausreichenden Lehrstühlen für Ökolandbau und Agrarökologie sowie die Entwicklung von Rahmenlehrplänen für diese Bereiche ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ob die Einführung eines EU-notifizierten niedersächsischen Biosiegels in diesem Zusammenhang förderlich ist, ist angesichts der bestehenden Vielzahl von Siegeln und Labeln jedoch zu bezweifeln.

Der BUND teilt die grundlegende Position, dass die Landwirtschaft bei der Transformation zu einer gesellschaftlich akzeptierten, klima- und tiergerechten Tierhaltung unterstützt werden soll sowie das Bekenntnis zu den Ansätzen und Finanzierungsmöglichkeiten der „Borchert-Kommission“ und die Unterstützung des Umbaus der Nutztierhaltung durch Landesmittel. Die flächengebundene Tierhaltung als Leitbild für die Förderung zu verwenden, ist der richtige Ansatz, ebenso wie die Förderung regionaler, dezentraler Schlachthöfe und mobiler Schlachteinrichtungen sowie Umstieg der Betriebe auf andere landwirtschaftliche Bereiche und eine Reduktion der Tierzahlen durch das „Zukunftsprogramm Diversifizierung“. Gleiches gilt auch für die Förderung der Weidehaltung und das Förderprogramm „Extensive Tierhaltung auf Moorböden“.

Zu befürworten sind die Pläne zum Ausbau der Möglichkeiten zur Direktvermarktung und dezentrale Verarbeitungsstrukturen, die Randstreifen entlang öffentlicher Wege aus der Nutzung zu nehmen. Der BUND teilt die Position, dass Flurbereinigungen an ökologischen Maßnahmen auszurichten und die Neuordnung von Flächen so zu fördern ist, dass sie den Natur-, Wasser-, Moor- und Klimaschutzzielen zugutekommt.

In Übereinstimmung mit unseren langjährigen Forderungen und den Vereinbarungen des Niedersächsischen Wegs soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert und die Pestizidreduktionsstrategie fertiggestellt und umgesetzt werden. Positiv sehen wir, dass das Land keine Notfallzulassungen für bienengefährdende Neonicotinoide beantragen wird, allerdings werden damit weiterhin Anträge Dritter auf Notfallzulassungen gestellt werden. Das Pflanzenschutzamt und die Prüfdienste der Landwirtschaftskammer an das LAVES zu übertragen, ist ein nachvollziehbarer Schritt, um eine Trennung zwischen den verschiedenen Funktionen der Kammer zu erreichen.

Die geplante Einbringung eines Gesetzes zur Sicherung und Verbesserung der bäuerlichen Agrarstruktur, um den massiven Aufkauf von ländlichem Grund durch Investor*innen zu begrenzen und die niedersächsischen Landwirt*innen zu schützen, entspricht einer Forderung des BUND.

Eine Finanzierung des Humusaufbaus landwirtschaftlicher Böden durch Carbon Farming, also über CO2-Zertifikate und die Einbindung in ein Zertifikatsystem, sieht der BUND kritisch. Die CO2-Bindung im Bodenhumus ist ein sehr dynamisches, komplexes System und die notwendigen Zeiträume werden oft unterschätzt. Dies birgt ein hohes Vertragsrisiko für Landwirte. Der BUND plädiert daher für eine prozessorientierte Förderung zur Humusanreicherung im Rahmen der bundes- und landesweiten Umsetzung der GAP.

6. Wälder schützen und naturnah entwickeln

Den Ansatz, in den Landesforsten Ökologie Vorrang vor Ökonomie einzuräumen und eine Zertifizierung nach FSC- oder Naturlandkriterien anzustreben, sehen wir positiv. Im Rahmen der Ziele, „klimarobustere“ Laub- und Mischwälder zu entwickeln, klimaangepassten Waldumbau zu fördern und das LÖWE+-Programm in diesem Sinne weiter zu entwickeln, kommt die Förderung der biologischen Vielfalt in den Landeswäldern jedoch zu kurz. Auf den höchst klima- und ökosystemrelevanten Bodenschutz sowie Wasserhaushalt der Wälder wird nicht eingegangen, Instrumente und Maßnahmen bleiben vage. Auch bei der Zulassung ausreichender Flächen für Naturwald, um die Ziele der Nationalen Strategie für biologische Vielfalt zu erreichen, fehlt es an konkreten Flächenzielen, Instrumenten und Verbindlichkeiten. Das im Koalitionsvertrag benannte Ziel, Kalamitätsflächen im Wald als zusätzliche Potenzialflächen für den Bau von Windkraftanlagen anzusehen, teilt der BUND nicht. Die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen stellen einen bedeutenden Eingriff in den Naturhaushalt und die Schutzfunktionen des Waldes dar, denn es werden erhebliche Flächen dauerhaft in Anspruch genommen. Der BUND fordert, Windkraft im Wald ausschließlich auf durch Bauten oder technische Einrichtungen vorbelastete Flächen zu begrenzen.

7. Moore wiedervernässen

Der BUND begrüßt die Pläne der Koalition, das Aktionsprogramm „Niedersächsische Moorlandschaften“ zu einer Landesstrategie Moorbodenschutz weiterzuentwickeln. Wir fordern die Koalition auf, kurzfristig geeignete Transformationspfade zu entwickeln und Meilensteine für die vereinbarte Vernässung von 47.000 ha Hoch- und Niedermoor und die Anhebung der Wasserstände bis 2050 festzulegen. Als geeignete Instrumente bewerten wir die in der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Ausweitung der Landesförderung für Moorrenaturierung und torferhaltende Bewirtschaftung, die Erprobung von Vorhaben einer nachhaltiger Regionalentwicklung durch Moorschutz und die Gründung eines Kompetenzzentrums als zentrale Koordinations- und Beratungsstelle für Renaturierung und torferhaltende Bewirtschaftung kohlenstoffreicher Böden. Der BUND bezweifelt jedoch, ob die Neugründung einer Landesmoorgesellschaft als eigenständige Organisationseinheit sinnvoll ist, um den Moorklimaschutz mit Schwerpunkt Wiedervernässung landeseigener Flächen voranzutreiben. Die massive Stärkung bestehender Strukturen mit Schaffung einer übergreifenden Koordination könnte gegebenenfalls zu einer schnelleren Zielerreichung führen.

Ausdrücklich positiv bewerten wir die klare Aussage im Koalitionsvertrag, dass neue Torfabbaugenehmigungen mit der BUND-Länder-Zielvereinbarung und den Klimazielen unvereinbar sind. Die gesetzliche Verankerung zum Stopp neuer Abbaugenehmigungen muss kurzfristig angegangen werden, ebenso wie Bestrebungen, bestehende Abbaugenehmigungen nicht vollständig zu nutzen. Der BUND hält die angestrebte Entwicklung eines Labels „Torffrei aus Niedersachsen“ zur Unterstützung der Vermarktung klimafreundlicher Blumenerden und torffrei produzierter Pflanzen von regionalen Betrieben für ein geeignetes Instrument, Alternativen zum Torf zu fördern.

Aus Sicht des BUND ist eine Nutzung von Freiflächen-Photovoltaik auf wiedervernässten, kohlenstoffhaltigen Böden nur unter bestimmten Bedingungen naturverträglich möglich: Dies gilt nur für Flächen mit degradierten, landwirtschaftlich genutzten Moorböden ohne naturschutzrechtlich einschränkende Schutzauflagen. Die Erarbeitung einer Flächenkulisse, die auch Kriterien von Klima- und Naturschutz berücksichtigt, steht noch aus (siehe dazu das Positionspapier des BUND Niedersachsen).

8. Lebendige Gewässer

Positiv ist die Anerkennung eines nachhaltigen, integrierten Wassermanagements mit mehr Wasserrückhalt und Wasserspeicherung in der Landschaft als Daueraufgabe, eine Förderung struktur- und artenreicher Gewässer sowie eine weitere Aufwertung von Gewässerrandstreifen. Gleiches gilt für die Ziele einer konsequenten Umsetzung des Masterplan Ems und die Schaffung ästuartypischer Lebensräume. Zum Masterplan Ems fordert der BUND, die vereinbarten Maßnahmen und festgelegten Zeitpläne dringend einzuhalten. Positiv hervorzuheben sind die Pläne der Koalition, die Wasserrahmenrechtlinie konsequent umzusetzen und Bächen, Flüssen, Seen und Auen mehr Raum zu geben. Unklar bleibt jedoch, mit welchen Instrumenten und konkreten Maßnahmen die Ziele umgesetzt werden sollen. Vor allem bei der bislang massiv defizitären Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie herrscht gravierender Handlungsdruck, auf den der Koalitionsvertrag allein keine Antwort gibt. Der BUND teilt die Bewertung der Koalition, dass die 9. Elbvertiefung ökologisch gescheitert ist. Wie auch der BUND lehnt die Koalition Schlickverklappungen vor der Vogelschutzinsel Scharhörn strikt ab und will nötigenfalls rechtliche Schritte einleiten. Wir unterstützen die Aussage, dass eine strategische Kooperation der Seehäfen Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg und ein grenzübergreifendes Sedimentmanagement vor der niedersächsischen Küste notwendig sind, um das massive Problem des Schlickanfalls ursächlich anzugehen und die Baggermengen zu reduzieren. Der BUND begrüßt das Bekenntnis zum Erhalt einer naturnahen Flusslandschaft Elbe und gegen den Ausbau der Elbereststrecke zwischen Hitzacker und Dömitz. In Bezug auf die geplanten Vertiefungen von Außenems, Unter- und Außenweser soll der Dialog mit den Beteiligten gesucht werden, um Lösungen für die Konfliktlagen zu finden. Dies reicht dem BUND nicht aus. Wir fordern ganz klar, den Ausbau von Ems und Weser zu stoppen, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten.

Positiv sehen wir das Ziel der Koalition, die Weserversalzung konsequent zu beenden. Um einen guten Zustand der flussabwärts gelegenen Weserabschnitte bis 2027 sicherzustellen, braucht es eine verbindliche schrittweise Absenkung der zulässigen Salzgehalte auch ab 2025.

9. Naturschutz stärken

Die Anerkennung der Funktion von Mooren, Salzwiesen, Wäldern, Auen und Feuchtgebieten als „natürliche Klimaschützer“ und das Ziel diese zu erhalten, wiederherzustellen und besonders Synergien mit Biodiversität und Wasserhaushalt zu nutzen, sehen wir positiv. Ebenso wie das Bekenntnis zum Niedersächsischen Weg und dessen Umsetzung zu stärken und dauerhaft besser zu finanzieren, beispielsweise durch Schaffung eines Netzes Ökologischer Stationen, Stärkung der Biodiversitätsberatung in der Fläche, Umsetzung des Biotopverbunds auf 15 Prozent der Landesfläche, schnellstmögliche Umsetzung des Wiesenvogelschutzprogramms und des Aktionsprogramms Insektenvielfalt sowie die Einrichtung eines digitalen Kompensationskatasters. Wir teilen das Ziel eines Artenschutzprogramms für gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die Stärkung des behördlichen Naturschutzes,  Erhalt und Sicherung des Grünen Bandes und die Ausweisung des länderübergreifenden Biosphärenreservat Drömling. Die Koalition bekennt sich außerdem klar zum Gipsfrieden.

Im Einklang mit den Forderungen des BUND ist geplant, Umweltbildungsangebote zu verstärken, eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung der Nationalparkhäuser und -zentren zu sichern und zusätzliche Stellen für Ranger*innen zu schaffen.

In Bezug auf das Thema Wolf will die Koalition den Dialog „Weidetierhaltung und Wolf“ mit allen befassten Organisationen und Verbänden fortführen und hier einen Aktionsplan erstellen. Gleichzeitig soll ein umfassendes Monitoring durchgeführt und europakonformes und regional differenziertes Bestandsmanagement erarbeitet werden.

Zusammenfassend entsprechen die Aussagen des Koalitionsvertrages im Bereich Naturschutz den Forderungen des BUND. Allerdings fehlen auch hier Aussagen zu konkreten Instrumenten und Maßnahmen sowie zu Zeitplänen. Der BUND hat deshalb ein Investitionsprogramm für Biologische Vielfalt, die massive Stärkung von Grünen Flurbereinigungen und eine erhebliche Stärkung und langfristige Sicherung der Personalausstattung für den Naturschutz in Niedersachsen gefordert. Nur wenn ausreichend Finanzmittel, Flächen und Personal für den Naturschutz bereitgestellt werden, kann das Artensterben gestoppt und die biologische Vielfalt im Land wieder hergestellt werden.

10. Weltnaturerbe Wattenmeer

Die Koalition bekennt sich im Koalitionsvertrag zur Verantwortung, das Weltnaturerbe Wattenmeer, die Küsten und Inseln zu schützen und die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie konsequent umzusetzen. Es soll geprüft werden, ob ein Landschaftsrahmenplan Küstenmeer die Umsetzung der Energie- und Infrastrukturvorhaben an der niedersächsischen Küste unterstützen kann. Positiv werten wir die Pläne für eine gemeinsame Norddeutsche Hafenkooperation und den Einsatz für die Umsetzung einer Green-Harbour-Strategie für nachhaltige und umweltfreundliche Häfen.

Keine Aussagen finden sich in der Koalitionsvereinbarung hingegen zum Umgang und zur Lösung von Konflikten zwischen den Belangen des Wattenmeerschutzes und den verschiedensten Nutzungsansprüchen an das Weltnaturerbegebiet. Der BUND hat mehrfach auf zahlreiche Nutzungskonflikte und den dringenden Bedarf an Lösungen hingewiesen, so z.B. zur Unverträglichkeit des Wattenmeerschutzes mit der Gewinnung von Erdgas und Erdöl, der Notwendigkeit zur naturverträglichen Beseitigung von Munitionsaltlasten, zur Nachschärfung von Flug- und Befahrensregelungen und einem nachhaltigen Fischereimanagement. Hinzu kommen die zahlreichen künftigen Nutzungsansprüche für Erneuerbare Energien wie Offshore-Planungen oder Wilhelmshaven als „Drehscheibe für erneuerbare Energien“. Der BUND fordert hier eine Begrenzung der Offshore-Windenergie auf 15 GW bis 2030, um massive Eingriffe in das Weltnaturerbe und den Nationalpark Wattenmeer durch zusätzliche Kabelanbindungen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Im Küstenmeer dürfen keine neuen Offshore-Windparks genehmigt werden. Die Genehmigungen der bestehenden Pilotparke Nordergründe und Riffgat müssen schnellstmöglich auslaufen. Im Koalitionsvertrag fehlen Aussagen zu Zielen, Instrumenten, Maßnahmen und Zeitplänen, um den Schutz des Wattenmeers langfristig zu gewährleisten. Der BUND fordert eine dringende Nachbesserung.

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