
Die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist weder gläubig noch sanftmütig. Sie sieht zwar von weitem aus wie ein harmloser Grashalm. Und ihre vor der Brust gefalteten Vorderbeinen wirken, als würde sie beten. Doch der Anblick täuscht. Nähert sich ein Insekt, schnellen die bedornten Fangarme in weniger als einer Zehntelsekunde vor und drücken die Beute an die ebenfalls mit Dornen bewehrte Brust. Ob Fliege, Heuschrecke, Wespe oder Biene – alles wird bei lebendigem Leib verspeist. Größere Arten erlegen sogar kleine Wirbeltiere oder Jungvögel. Die Fangstrategie hat sich ausgezahlt, immerhin gibt es Fangschrecken schon seit 340 Millionen Jahren!
Aus der Nähe betrachtet, mutet das Tier fast außerirdisch an: riesige Augen, der dreieckige, bewegliche Kopf und natürlich die großen, dornenbesetzten Fangarme. Die Weibchen erreichen eine Länge von etwa 8 Zentimetern, die Männchen sind deutlich kleiner. Beide haben Flügel, doch sind die Weibchen fast flugunfähig, und die Männchen fliegen nur kurze Strecken.
Zur Paarungszeit nähert sich das Männchen vorsichtig von hinten, klopft mit den Fühlern sanft auf den Hinterleib des Weibchens und springt dann auf ihren Rücken. Ist er unvorsichtig oder sie hungrig, dann wird der Verehrer oftmals vom Kopf her aufgefressen, während sein Hinterleib noch den Paarungsakt vollzieht. Nach der Paarung legt das Weibchen mehrere Eipakete, die jeweils bis zu 200 Eier enthalten können. Die Eier sind frostbeständig und überwintern, bis im nächsten Frühjahr die Larven schlüpfen. Diese durchlaufen mehrere Stadien, bis dann im August die erwachsenen Tiere schlüpfen. Sie sterben, sobald die kalte Jahreszeit beginnt.
Die Gottesanbeterin hat die erstaunliche Fähigkeit, bei jeder ihrer sechs bis acht Häutungen ihre Farbe der jeweiligen Umgebung anpassen zu können. Diese Tarnung schützt sie vor Eidechsen, Vögeln und anderen Fressfeinden. Ist das Tier trotz Tarnung entdeckt, reißt es seine Vorderbeine hoch, welche schwarzumrandete weiße Flecken auf ihrer Innenseite besitzen. So erblickt ein Angreifer unversehens ein großes Augenpaar, das ihm einen größeren Gegner vortäuscht. Zusätzlich spreizt die Gottesanbeterin ihre Flügel, um größer zu wirken, und streicht mit dem Hinterleib über die Flügel, um ein zischendes Geräusch zu erzeugen.
Beobachtungstipp
Die Gottesanbeterin liebt sonnige Hänge, Büsche, Sträucher und Waldränder, doch man findet sie auch im Grasland. Vom Klimawandel profitierend, breitet sich die Fangschrecke immer weiter von den wärmsten Regionen Deutschlands nach Norden aus. In Berlin-Schöneberg ist seit 1998 ein Inselvorkommen bekannt.
Achtung
Die Gottesanbeterin gilt in Deutschland als vom Aussterben bedroht und steht unter Naturschutz.
Webtipp
Alle Tipps zur Naturbeobachtung stammen von K. Schmiing (Diplombiologin)
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