Mit der zum 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Novelle des Niedersächsischen Klimaschutzgesetzes (NKlimaG) wurden die Klimaziele deutlich angehoben: So sollen bis 2030 die Treibhausgasemissionen des Bundeslandes um 75 Prozent und bis 2035 um 90 Prozent gesenkt werden. Bis 2040 soll Niedersachsen treibhausneutral sein, wobei die niedersächsische Landesverwaltung dieses Ziel bereits bis 2035 erreicht haben soll.
Weitere niedersächsischen Klimaziele sind:
- die bilanzielle Deckung des Energie- und Wasserstoffbedarfs in Niedersachsen durch erneuerbare Energien bis zum Jahr 2040, und zwar durch Stromerzeugung mittels Freiflächenanlagen auf mindestens 0,5 Prozent der Landesfläche (bis zum Jahr 2033). Ferner sind bis 2035 zu realisieren: Mindestens 30 Gigawatt installierte Leistung zur Stromerzeugung aus Windenergie an Land und mindestens 65 Gigawatt installierte Leistung zur Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen. Von diesen 65 Gigawatt sollen mindestens 50 Gigawatt aus anderen als Freiflächenanlagen stammen –- somit ist eine u. a. vom BUND geforderte Deckelung der Freiflächen-Photovoltaik auf 15 Gigawatt nunmehr festgeschrieben;
- der Erhalt und die Erhöhung natürlicher Kohlenstoffspeicherkapazitäten;
- die Minderung der jährlichen Treibhausgasemissionen aus kohlenstoffreichen Böden bis zum Jahr 2030 um 1,65 Millionen Tonnen bezogen auf die Treibhausgasemissionen aus kohlenstoffreichen Böden im Vergleichsjahr 2020 sowie
- die Minderung der Folgen des Klimawandels für die Bevölkerung und ihre Gesundheit, für die Wirtschaft, für die Infrastruktur, für die Natur, für die Ökosysteme und für die Biodiversität sowie für die Stärkung der Klimaresilienz.
Um diese Ziele zu erreichen, schreibt die Landesregierung die im Jahr 2021 beschlossene Klimaschutzstrategie erstmals im Jahr 2024 und danach mindestens alle fünf Jahre fort. Ein neu einzurichtender unabhängiger Klimarat soll der Landesregierung in Bezug auf die Weiterentwicklung der Klimaschutzpolitik zur Seite stehen und ökologische, soziale und wirtschaftliche Perspektiven einbringen. Bei der Umsetzung der Klimaziele werden die niedersächsischen Kommunen vom Land finanziell unterstützt: Ab 2024 finanziert das Land mit insgesamt 11,7 Millionen Euro pro Jahr die kommunale Wärmeplanung und das Erstellen von Klimaschutzkonzepten in den Kommunen. Ab 2026 stellt das Land pro Jahr zusätzlich 2,02 Millionen Euro für ein Klimaschutzmanagement und 1,94 Millionen Euro für die Erstellung von Entsiegelungskatastern bereit.
Die Novelle des NKlimaG finden Sie hier (VORIS).
Ein Anfang ist gemacht, aber es bleibt noch viel zu tun!
Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes ist ein wichtiger Etappenschritt auf dem Weg zu einem effektiven Klimaschutz. Mit der Formulierung ehrgeiziger Ziele ist es aber nicht getan – ein wesentlicher Teil der Ziele und Maßnahmen für den Klimaschutz wurde nämlich eben nicht im Gesetz verankert und damit verbindlich geregelt, sondern in die Klimaschutzstrategie verlagert. Der BUND Niedersachsen erwarten nun verbindliche Zielvorgaben für die einzelnen Sektoren sowie detaillierte Angaben zu deren Umsetzung
Die Chance den Flächenbedarf für den natürlichen Klimaschutz und den Ausbau des Biotopverbundes mit gleicher Kraft zu verfolgen und im Gesetz konkret zu verankern, wurde im Klimaschutzgesetz verpasst. Um natürliche Kohlenstoffsenken wie Moore, Wälder, das Meer und Auen im Sinne des natürlichen Klimaschutzes zu entwickeln, fehlen aus Sicht des BUND konkrete Ziele und Maßnahmen im Gesetz. Positiv bewertet der BUND die überfällige Einführung eines Torfabbauverbotes, aber auch hier gilt: Das Verbot muss konsequent und ohne Ausnahmen durchgesetzt werden.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele in Niedersachsen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien darf die Wiedervernässung von Moorböden oder die naturnahe Entwicklung der Wälder keinesfalls verhindern. Der Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dächern und versiegelten Flächen muss gegenüber Freiflächen-Photovoltaikanlagen bevorzugt werden, da im Außenbereich ansonsten massive Nutzungskonflikte drohen. Es bedarf daher einer konkreten Flächenkulisse hierfür. Hinweise zum naturverträglichen Ausbau finden sich im Positionspapier des BUND Niedersachsen.
Außerdem fordert der BUND:
Der BUND fordert eine vollständige erneuerbare Energieversorgung bis zum Jahr 2040. Der Ausbau der Erneuerbaren muss umwelt- und naturverträglich erfolgen. Die Speicherung von Strom und die stärkere Sektorenkopplung sind dabei wichtige Bausteine. Dazu gehört eine dezentrale Energieerzeugung, -versorgung und -speicherung anstelle eines teuren und umweltbelastenden Ausbaus von HGÜ-Leitungen, die unter anderem dazu dienen, Kohle- und Atomstrom quer durch Europa zu transportieren. Erfolgreiche Modelle von Bürgerenergiegesellschaften müssen weiter ausgebaut werden. Beim Ausbau der Windenergie ist das Repowering zu forcieren, um mehr Leistung zu generieren, Planungsfehler der Vergangenheit zu beseitigen und Eigentümer*innen zu beteiligen. Bei der Planung von Windkraftanlagen an Land und auf See sind Naturschutzziele und -vorgaben ohne Einschränkung einzuhalten.
Der Verkehr ist nach der Energieerzeugung der größte Emittent an klimaschädlichem CO2 in Niedersachsen. Gleichzeitig liegt der Anteil der Erneuerbaren hier nur bei rund 5 % und stagniert seit Jahren. Hier muss die Landesregierung umgehend handeln!
Um die Verkehrswende Wirklichkeit werden zu lassen, ist in unseren Städten eine neue Architektur des Straßenraums notwendig. Wir fordern mehr Stadtgrün und Freiflächen, mehr Raum für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen auf Kosten des fließenden und ruhenden Autoverkehrs. Der ÖPNV muss kostengünstiger und attraktiver werden und bis 2030 schrittweise auf ausschließlich emissionsarme Fahrzeuge und Antriebe auf Grundlage erneuerbarer Energien umgestellt werden. Auch im ländlichen Raum müssen flächendeckend umweltfreundliche Alternativen zum PKW-Individualverkehr geschaffen werden, die sich am heutigen Mobilitätsbedarf orientieren.
Statt einen teuren und umweltschädlichen Neubau von Straßen zu finanzieren, müssen erheblich mehr Mittel in den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs sowie der Fahrradinfrastruktur investiert werden. Niedersachsen muss darauf hin wirken, dass der Bundesverkehrswegeplan entsprechend überarbeitet wird. Der Schienenverkehr ist zu ertüchtigen, Engpässe im Schienennetz zu beseitigen und ausgewählte Altstrecken bedarfsorientiert zu reaktivieren. Insbesondere der Güterverkehr mit kontinuierlich ansteigender Transportleistung im Straßenverkehr muss dringend auf die Schiene verlagert werden. Eine überfällige Maßnahme für den Klimaschutz ist ein landesweites Tempolimit von maximal 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts.
Dringenden Aufholbedarf und enorme ungenutzte Potenziale gibt es in Niedersachsen bei der Solarstromerzeugung auf Dachflächen und im Bereich der Gebäudewärme. Derzeit werden nur 6,4 % der solargeeigneten Dachflächen für die Solarstromerzeugung genutzt, der BUND fordert eine Steigerung auf mindestens 85 %. Auf öffentlichen Einrichtungen und bei Neubauten müssen Solaranlagen durch Festsetzungen in den Bebauungsplänen zur Pflicht werden.
Im Bereich der Gebäudewärme gibt es erheblichen Sanierungsbedarf und ein hohes Einsparpotenzial. Der BUND fordert, die jährliche energetische Sanierungsquote im Gebäudebestand bis zum Jahr 2035 von derzeit 1 % auf mindestens 2,5 % anzuheben. Eine steuerliche Abschreibung der Investitionen kann hierzu einen guten Beitrag leisten und sollte von Niedersachsen als Bundesratsinitiative eingebracht werden. Bei der vorgeschriebenen Pflicht zur Gebäudedämmung bestehen erhebliche Vollzugsdefizite. Eine Kontrolle zumindest der baugenehmigungs-pflichtigen Maßnahmen kann hier deutliche Fortschritte bewirken.
Intakte Moore und Wälder haben eine herausragende Bedeutung als Kohlenstoffsenken und tragen ganz erheblich zum Klimaschutz bei. Als moorreichstes Bundesland hat Niedersachsen eine besondere Verantwortung, gerade auch diese Lebensräume vor klimaschädlichen Veränderungen zu schützen. Aktuell sind jedoch weit über 90 % der niedersächsischen Moore durch intensive Nutzung stark beeinträchtigt, wodurch erhebliche Mengen Treibhausgase freigesetzt werden. Der BUND fordert deshalb einen konsequenten Stopp des Torfabbaus, die Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren sowie eine klimaverträgliche Bewirtschaftung von Moorböden und anderen kohlenstoffreichen Böden mit besonderer Klimaschutzfunktion. Um Einschränkungen für die Landwirtschaft auszugleichen, sind ausreichend Landesmittel erforderlich.
Wälder als natürliche Kohlenstoffsenken sind von der Klimakrise, insbesondere durch anhaltende Trockenheit und Hitze, besonders stark betroffen: Dringend erforderlich ist es, durch eine ökologisch ausgerichtete Forstpolitik stabilere und widerstandsfähigere Wälder zu entwickeln. Mehr Raum für eine natürliche Waldentwicklung, Vorrang für standortheimische Baumarten aus regionaler Herkunft und eine naturnahe Bestands- und Altersstruktur sind ebenso erforderlich wie Maßnahmen zum Schutz des Waldinnenklimas und der Waldböden. Waldbesitzer*innen und Kommunen, die naturferne Nadelholzforste zu naturnahen Laubmischwäldern umbauen wollen, müssen hierfür finanzielle Unterstützung und Beratung erhalten.
Die Landwirtschaft ist in Niedersachsen mit ca. 16 % Anteil an den Gesamtemissionen eine relevante Emissionsquelle für Treibhausgase. Um die Emissionen zu verringern, müssen Massentierbestände und Nährstoffüberschüsse deutlich reduziert werden. Erforderlich ist eine flächengebundene Tierhaltung. Nutzungsänderungen von Grünland zu Ackerland stellen insbesondere auf kohlenstoffreichen Böden eine erhebliche Quelle für Treibhausgase dar. Ein Umbruch von Dauergrünland muss daher gesetzlich verboten werden.
Der BUND fordert eine Steigerung des Ökolandbaus an der landwirtschaftlichen Fläche auf 15 % bis zum Jahr 2025 und auf 30 % bis zum Jahr 2030. Mit der Umstellung von konventionellem Landbau auf Ökolandbau werden Klimaschutzziele besser erreicht. Ökologisch bewirtschaftete Äcker emittieren z.B. weniger Treibhausgase pro Hektar und haben eine höhere Kohlenstoffspeicherrate als Äcker des konventionellen Landbaus.
Eine pauschale Subventionierung der Landbewirtschaftung oder gar eine Subvention klimaschädlicher Bewirtschaftungsweisen lehnt der BUND vehement ab. Niedersachsen muss darauf hinwirken, dass Landwirte mithilfe der Förderpolitik für Klima- und Naturschutzleistungen stärker honoriert werden.
Um die Klimakrise zu bekämpfen, bedarf es mehr Information und Wissen über Ursachen des Klimawandels und Handlungsoptionen zum Klimaschutz in der breiten Bevölkerung. Daher müssen die Klimakrise, ihre Folgen und Möglichkeiten zur Überwindung auf den verschiedensten Bildungswegen zielgruppenorientiert vermittelt werden. Bereits im Vorschulalter muss Klimaschutz kindgerecht thematisiert und in den Lehrplänen aller Schultypen verankert werden. Klimakompetenz muss verpflichtender Bestandteil im Lehramtsstudium für gesellschafts- und naturwissenschaftliche Fächer werden. In berufsbildenden Schulen und Hochschulen, z.B. im Bereich Land- und Forstwirtschaft, müssen Informationen zu klimaschonenden Bewirtschaftungsweisen bzw. Anpassungsstrategien an die Klimakrise vermittelt werden. Auch alle Formen der Erwachsenenbildung sollten sich intensiv mit dem Thema auseinander setzen.
Das Land Niedersachsen muss in Bezug auf alle Klimaschutzbelange eine Vorbildfunktion einnehmen. Es muss seine Landesliegenschaften bis spätestens 2035 treibhausgasneutral umstellen. Auch der Fuhrpark der Landeseinrichtungen muss auf klimaneutrale Antriebe umgestellt werden. Die Landesforsten müssen bei der Bewirtschaftung der Niedersächsischen Wälder aufzeigen, wie klimaresiliente Wälder mit heimischen Baumarten entwickelt werden können. Auch das Land soll sich als Vorbild verpflichten, vollständig auf den Einsatz von Torf zu verzichten. Ausschreibungen und Vergaben bei der landeseigenen Grünflächenpflege und -anlage dürfen nur noch mit Torfersatzstoffen erfolgen.